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Das Hagebutten-Mädchen

Das Hagebutten-Mädchen

Titel: Das Hagebutten-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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abblasen!«
    »Meinetwegen könnt ihr machen, was ihr wollt, Frank«, sagte Sanders in kumpelhaftem Ton und Wencke wurde wieder daran erinnert, dass ihr Kollege ja nun seit sechs Monaten auf Juist lebte und wahrscheinlich fast jeden Insulaner beim Vornamen nannte. »Tatsache ist aber, dass wir Ermittlungsarbeit leisten müssen und es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen unserem Mord und eurem Inseltreffen gibt. Das bleibt aber bitte zwischen uns. Wir brauchen Zeugenaussagen, verstehst du? Und wenn ihr alle am westlichsten Ende der Insel Erbsensuppe esst, dann sitzen meine Kollegin und ich ziemlich nutzlos auf der Polizeidienststelle herum.«
    »Meine Güte, dann fahrt doch mit!«, sagte dieser Frank und zeigte auf eine kleine, mit gelber Plane überspannte Kutsche, die mit einem etwas trüb dreinblickenden, dicken Pferd davor abseits neben den Fahrradständern stand. »Ich überlasse euch dieses Fuhrwerk, dann kann einer von euch hinten sitzen und sich immer wieder unauffällig jemanden schnappen, den ihr verhören wollt. Wenn die Musikkapelle da vorne spielt, kann sowieso kein Mensch ein Wort verstehen, also ist es hier ebenso diskret wie in eurem Büro.«
    Wencke traute ihren Ohren nicht. »Wenn nur einer von uns mit den Zeugen hinten sitzt, wo sitzt dann der andere?«
    »Na, aufm Kutschbock. Ich denke, das wird eher Axel Sanders sein, wenn ich mir Ihren Blick und vor allem diese vornehmen Schuhe so ansehe.«
    Wencke spürte, wie sie bis zu den Haarspitzen errötete, was ein sehr ungewohntes Gefühl für sie war. Warum ausgerechnet heute? Warum ausgerechnet, wenn sie mal die bequemen Jeans und die robusten Treter im Schrank gelassen hatte? So ein Mist, die Schuhe waren sauteuer gewesen und niemals als Dienstkleidung absetzbar, obwohl sie diese Pumps doch wirklich nur ihrer Dienststelle zuliebe gekauft hatte. Und damit sollte sie jetzt Kutsche fahren, und zwar bis ans andere Ende der Insel? Die Insel war verdammt lang und trotz der kräftigen Frühlingssonne war es wirklich noch nicht warm genug für einen kurzen Rock und Hunger hatte sie auch und überhaupt: Wie um Himmels willen sollte Wencke bei dem Ganzen eine einigermaßen respektable Figur abgeben?
    »Und wohin genau geht die Fahrt eigentlich?«, fragte sie mürrisch.
    Sanders reichte ihr die Aktentasche, in der er die bisherigen Protokolle und den anderen wichtigen Kram sorgsam verstaut hatte. »Die Billspitze am westlichen Inselende ist einer der schönsten Orte auf Juist. Es gibt dort neben einem traumhaften Naturschutzgebiet auch eine urige Gaststätte, die Domäne Bill. Ich bin mir sicher, es wird Ihnen dort gefallen.«
    »Ich hab auch etwas Warmes für Ihre entzückenden Beine, gnädige Frau«, sagte der Kutscher und dankbar nahm Wencke aus seiner Hand eine dunkel karierte Decke entgegen.
    »Ich verabschiede mich dann mal, viel Erfolg beim Ermitteln.« Dann wandte sich der Kutscher an Sanders.
    »Ach, Axel, wenn der Gaul bockt, du findest mich im Notfall auf der vordersten Kutsche, alles klar?«
    »Kein Problem!« Sanders nahm die Zügel in die Hand, stieg auf den Kutschbock, blickte durch das Plastikfenster der Plane nach hinten und grinste zu ihr hinüber.
    »Auf Juist wird eben alles mit Kutschen gemacht: Müllabfuhr, Warentransport, Taxiunternehmen. Da werden auch wir mit einem nur ein PS starken Dienstwagen zurechtkommen.« Und dann rief er tatsächlich: »Hüa!«
    Hüa! Es war unglaublich, dass er sich nicht im Geringsten an der Aussicht zu stören schien, mit groben Lederriemen in den früher so sorgsam manikürten Händen auf den Hintern eines Kaltblüters starren zu müssen. Und ihr selbst schauderte es vor der Kutschfahrt.
    Konnte es sein, dass sie unbemerkt die Rollen getauscht hatten? Dass sie pingelig und spießig wurde, während er lässig alle Umstände als gegeben hinnahm und dabei lächelte, und zwar verdammt charmant lächelte? Früher war es doch ganz anders gewesen.
    Sie rollten mit der Kutsche zum Konvoi, wo sie als Hinterste stehen blieben.
    In diesem Moment setzte die Blaskapelle im ersten Pferdewagen mit vollem Tamtam ein. Alle sangen aus voller Kehle »An der Nordseeküste«. Kurz rollten die Pferde schreckhaft mit den Augen und warfen die Köpfe nach hinten, doch sofort hatten sich die Tiere wieder beruhigt und standen abermals gelangweilt auf dem Straßenpflaster.
    »Wen soll ich denn nun in unser mobiles Präsidium lotsen?«, rief Sanders ihr zu.
    »Wie bitte?«
    »Sie sagten, Sie hätten schon eine Idee, wen man als

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