Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Halsband der Koenigin 1

Das Halsband der Koenigin 1

Titel: Das Halsband der Koenigin 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas (der Aeltere)
Vom Netzwerk:
wankende, jeden Augenblick niederstürzende Pferde, zogen diese eisigen Mauern für den Vorübergehenden weg, welcher der dreifachen Gefahr des Fallens, des Zusammenstoßens und des Einstürzens ausgesetzt war.
    Bald wurden die Schnee- und Eishaufen so groß, daß die Buden dadurch maskirt, die Durchgänge verstopft waren, und daß man darauf verzichten mußte, das Eis wegzunehmen, da die Kräfte und Mittel der Fuhren nicht mehr genügten.
    Das ohnmächtige Paris erklärte sich für besiegt und ließ den Winter gewähren. So vergingen December, Januar, Februar und März; zuweilen verwandelte ein Thauwetter von zwei bis drei Tagen ganz Paris, dem es an Gossen und Abhängen gebrach, in einen Ocean.
    In solchen Augenblicken konnte man sich nur schwimmend durch gewisse Straßen durcharbeiten. Pferde verloren sich und ertranken. Die Carrossen wagten sich nicht mehr hinein; sie hätten sich in Schiffe verwandelt.
    Seinem Character getreu, machte Paris Lieder auf den Tod durch das Thauwetter, wie es Lieder über den Hungertod gemacht hatte. Man ging in Procession nach den Hallen, um die Fischweiber ihre Waaren verkaufen und ihren Kunden mit ungeheuren ledernen Stiefeln nachlaufen zu sehen, wobei sie Hosen in den Stiefeln und die Röcke bis zum Gürtel aufgeschlagen hatten; Alles lachend, gesticulirend und einander in dem Sumpf, den sie bewohnten, mit Koth bespritzend; da aber das Thauwetter ephemer war, da das Eis undurchsichtiger und hartnäckiger folgte, da die Seen vom vorhergehenden Tag am andern Tag schlüpfriger Crystall wurden, so ersetzten Schlitten die Wagen und fuhren, angetrieben von Schlittschuhläufern oder gezogen von scharf beschlagenen Pferden, auf den Chausseen der in glatte Spiegel verwandelten Straßen. Die Seine war, mehrere Fuß tief gefroren, der Sammelplatz der Müßiggänger geworden, die sich im Rennen, im Niederfallen durch Ausglitschen, im Schlittschuhlaufen, kurz in Spielen aller Art übten und, durch diese Gymnastik erwärmt, so bald die Müdigkeit sie zur Ruhe zwang, zum nächsten Feuer liefen, damit der Schweiß nicht auf ihren Gliedern gefror.
    Man sah den Augenblick vorher, wo, da der Verkehr zu Wasser unterbrochen, zu Lande unmöglich geworden, die Lebensmittel nicht mehr ankommen würden und Paris, dieser riesige Körper, in Ermangelung von Nahrung unterliegen müßte, wie jene Cetaceen, die, nachdem sie ihre Bezirke entvölkert, in den Polareisen eingeschlossen bleiben und an Entkräftung sterben, weil es ihnen nicht möglich gewesen ist, wie die kleinen Fische, ihre Beute, durch die Spalten zu entkommen und gemäßigtere Zonen, fruchtbarere Wasser zu erreichen.
    Der König versammelte in dieser verzweiflungsvollen Lage seinen Rath. Er beschloß, die Bischöfe, die Aebte. die Mönche, die sich gar zu wenig um ihre Residenz bekümmerten, die Gouverneure, die Intendanten der Provinzen, die Paris zu ihrem Gouvernementssitz gemacht hatten, die Magistrate endlich, welche die Oper und die Gesellschaft ihren mit Lilien verzierten Amtsstühlen vorzogen, aus Paris zu verbannen, d. h. zur Rückkehr nach ihren Provinzen aufzufordern.
    Man sollte auch noch alle adeligen Gutsbesitzer der Provinzen auffordern, sich in ihre Schlösser einzusperren. Aber Herr Lenoir, der Polizeilieutenant, bemerkte dem König, da alle diese Leute nicht dazu verpflichtet seien, so könne man sie nicht zwingen, Paris von einem Tag auf den andern zu verlassen; sie würden daher, um sich zu entfernen, mit einer Langsamkeit zu Werke gehen, welche theils dem bösen Willen, theils der Schwierigkeit der Wege zuzuschreiben wäre, und so müßte das Thauwetter eintreten, ehe man den Vortheil der Maßregel erlangt hätte, indeß alle möglichen Unannehmlichkeiten daraus hervorgegangen wären.
    Das Mitleid des Königs, das die Cassen trocken legte, die Barmherzigkeit der Königin, die ihre Sparbüchse erschöpfte, hatten die sinnreiche Dankbarkeit des Volkes erregt, das durch ephemere Monumente das Andenken an die Wohlthaten heiligte, die Ludwig XVI. und die Königin den Dürftigen hatten zufließen lassen. Wie einst die Soldaten dem siegreichen Feldherrn Trophäen mit den Waffen des Feindes errichteten, von dem der Feldherr sie befreit hatte, so errichteten die Pariser auf dem Schlachtfeld selbst, auf dem sie gegen den Feind kämpften, dem König und der Königin Obeliske von Schnee und Eis. Jeder trug dazu bei, der Tagelöhner gab seine Arme, der Handwerker seine Industrie, der Künstler sein Talent, und die Obelisken erstanden

Weitere Kostenlose Bücher