Das Halsband der Koenigin 2
Stimme des Blutes. Haben Sie nur dieses gegen sie einzuwenden, so kann sie der König wohl zulassen, um Zeugniß abzulegen.«
»Ich weiß nicht,« erwiderte Ludwig XVI., »aber ich habe Ahnungen, Instincte; ich fühle, daß diese Frau ein Unglück, eine Widerwärtigkeit in meinem Leben veranlassen wird ... und das ist genug.«
»Oh! Sire, Aberglauben! Hole sie geschwind,« sagte die Königin zur Prinzessin von Lamballe.
Nach fünf Minuten trat Jeanne ganz bescheiden, ganz verschämt, aber vornehm in ihrer Haltung wie in ihrem Anzug, in das Cabinet des Königs ein.
Unüberwindlich in seiner Antipathie, hatte der König der Thüre den Rücken zugewendet. Die zwei Ellenbogen auf seinem Schreibtische, den Kopf in seinen Händen, schien er ein Fremder mitten unter den Anwesenden.
Der Graf von Provence schoß auf Jeanne so forschende und belästigende Blicke ab, daß, wenn die Bescheidenheit von Jeanne eine ächte gewesen wäre, diese Frau alle Fassung verloren und kein Wort aus dem Munde gebracht hätte.
Aber es brauchte etwas Anderes, um Jeanne's Gehirn zu stören und zu beunruhigen.
Weder König, noch Kaiser mit ihren Sceptern, noch der Papst mit seiner Tiare, noch himmlische Mächte, noch Mächte der Finsterniß hätten auf diesen ehernen Geist durch Furcht oder Verehrung eingewirkt.
»Madame,« sprach die Königin, indem sie die Gräfin hinter den König führte, »ich bitte Sie, sagen Sie gefälligst, was Sie am Tage meines Besuches bei Herrn Mesmer gethan haben; wollen Sie es von Punkt zu Punkt sagen.«
Jeanne schwieg.
»Kein Verschweigen, keine Schonung. Nichts als die Wahrheit, so wie sie in Ihrem Gedächtniß ist.«
Nach diesen Worten setzte sich die Königin in einen Lehnstuhl, um nicht durch ihren Blick einen Einfluß auf die Zeugin zu üben.
Welche Rolle für Jeanne! Für sie, die schon errathen hatte, daß ihre Souveränin ihrer bedurfte, für sie, welche fühlte, daß Marie Antoinette in falschem Verdachte stand, und daß man sie, ohne sich von der Wahrheit zu entfernen, rechtfertigen konnte.
Jede Andere hätte bei dieser Ueberzeugung dem Vergnügen nachgegeben, die Unschuld der Königin durch die Uebertreibung der Beweise darzuthun.
Jeanne war aber eine so verschmitzte, so feine und so starke Natur, daß sie sich innerhalb des reinen Ausdruckes der Thatsache hielt.
»Sire,« sprach sie, »ich ging zu Herrn Mesmer aus Neugierde, wie ganz Paris dahin geht. Das Schauspiel kam mir ein wenig plump vor. Ich wandte mich um, als ich plötzlich auf der Schwelle der Eingangsthüre Ihre Majestät erblickte, die ich zwei Tage vorher, ohne sie zu kennen, zu sehen die Ehre gehabt hatte, Ihre Majestät, deren Freigebigkeit mir ihren Rang verrathen hat. Als ich ihre erhabenen Züge sah, die nie meinem Gedächtnisse entschwinden werden, da schien es mir, die Gegenwart Ihrer Majestät sei nicht an ihrem Orte in jenem Haus, wo viele Leiden und Heilungen als Schauspiele ausgestellt werden. Ich bitte Ihre Majestät in Demuth um Verzeihung, daß ich es gewagt habe, so frei über ihr Benehmen zu denken, aber es war ein Blitz, ein weiblicher Instinct; ich bitte auf den Knieen um Verzeihung, wenn ich die Linie der Ehrfurcht, die ich den geringsten Bewegungen Ihrer Majestät schuldig bin, überschritten habe.«
Eine tiefe Gemüthsbewegung heuchelnd, den Kopf senkend und durch eine unerhörte Kunst beinahe zu der Stockung des Athems gelangt, welche den Thränen vorhergeht, hielt sie inne.
Herr von Crosne war dadurch ergriffen. Frau von Lamballe fühlte sich zum Herzen dieser Frau hingezogen, die zugleich zart, schüchtern, geistreich und gut zu sein schien.
Herr von Provence war betäubt.
Die Königin dankte Jeanne durch einen Blick, den der Blick der Gräfin nachsuchte oder vielmehr duckmäuserisch belauerte.
»Nun! Sire, Sie haben gehört,« sagte die Königin.
Der König rührte sich nicht.
»Ich bedurfte des Zeugnisses dieser Frau nicht,« sagte er.
»Man hat mich sprechen heißen, und ich mußte gehorchen,« warf Jeanne schüchtern ein.
»Genug!« sprach Ludwig XVI. mit brutalem Tone; »wenn die Königin etwas sagt, so braucht sie keine Zeugen, um ihre Aussagen zu controliren. Hat die Königin meine Billigung, so braucht sie von Niemand Etwas zu verlangen, und sie hat meine Billigung.«
Nach diesen Worten, welche Herrn von Provence niederschlugen, stand er auf.
Die Königin ermangelte nicht, ein verächtliches Lächeln beizufügen.
Der König wandte seinem Bruder den Rücken zu und küßte Marie
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