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Das Halsband der Königin - 3 (German Edition)

Das Halsband der Königin - 3 (German Edition)

Titel: Das Halsband der Königin - 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas (der Ältere)
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Angst vor Erdbeben, welche die Grundlage erschüttern konnten.
    Diese unbewegliche Frau glich jenen indischen auf ihre Sitze gekeilten Göttern, denn in Folge der Starrheit des Gedankens rollte das Auge allein in seiner Höhle. Eine Schildwache und ein thätiger Diener verrichteten nach den Bedürfnissen des Körpers oder den Launen des Geistes allein den Dienst des Idols.
    Oliva bemerkte, wie hübsch diese Dame in ihrer Frisur war, wie sehr ihr Fuß, auf den Rand des Fensters gestellt und in einem kleinen Pantoffel von rosa Atlas geschaukelt, zart und sinnreich war. Sie bewunderte die Rundung des Armes und des Busens, der den Schnürleib und das Morgengewand zurückstieß.
    Was ihr aber ganz besonders auffiel, das war die Tiefe des stets auf ein unsichtbares, unbestimmtes Ziel gespannten Gedankens, eines so gebieterischen Gedankens, daß er den Leib zu gänzlicher Unbeweglichkeit verurtheilte, daß er ihn durch seinen Willen vernichtete.
    Diese Frau, welche wir erkannt haben, während Oliva sie nicht zu erkennen vermochte, ahnte nicht, daß man sie sehen konnte. Ihren Fenstern gegenüber hatte sich nie ein Fenster geöffnet. Das Hotel des Herrn von Cagliostro hatte nie, trotz der Blumen, welche Nicole gefunden, trotz der Vögel, die sie hatte fliegen sehen, irgend Jemand sein Geheimniß entdeckt, und abgesehen von den Malern, die es wiederhergestellt, hatte sich nie ein lebendes Wesen am Fenster sehen lassen.
    Um die Erscheinung zu erklären, welcher Cagliostro's angebliches Wohnen im Pavillon widerspricht, wird ein Wort genügen. Der Graf hatte diese Wohnung am Abend bereiten lassen, als hätte er sie für sich selbst einrichten heißen. Er hatte sich so zu sagen selbst belogen, so gut waren seine Befehle vollzogen worden.
    Die Dame mit der schönen Frisur blieb also in ihren Gedanken begraben; Oliva bildete sich ein, so träumend, träume die hübsche Person von ihren durchkreuzten Liebschaften.
    Sympathie in der Schönheit, Sympathie in der Einsamkeit, im Alter, in der Langweile, wie viele Bande, um zwei Seelen mit einander zu verknüpfen, die einander vielleicht in Folge der geheimnißvollen, unwiderstehlichen und unübersetzbaren Combination der Geschicke suchten!
    Seitdem Oliva diese nachdenkliche Einsiedlerin gesehen hatte, konnte sie ihr Auge nicht mehr von ihr losmachen.
    Es lag eine Art von moralischer Reinheit in dieser Anziehung der Frau zur Frau. Diese Zartheiten sind gewöhnlicher, als man im Allgemeinen glaubt, unter den unglücklichen Geschöpfen, für welche der Körper der Hauptagent in den Functionen des Lebens geworden ist.
    Arme Verbannte aus dem geistigen Paradies, sehnen sie sich nach den verlorenen Gärten und den lächelnden Engeln zurück, die sich unter den mystischen Schatten verbergen.
    Oliva glaubte eine Schwester ihrer Seele in der schönen Klausnerin zu sehen. Sie baute einen Roman ähnlich ihrem eigenen auf, denn sie bildete sich in ihrer Naivetät ein, man könne nicht hübsch, elegant sein und in der Rue Saint-Claude verloren wohnen, ohne ein großes Unglück im Grunde seines Lebens oder eine schwere Bangigkeit im Grunde seines Herzens zu haben.
    Als sie ihre romantische Fabel gut aus Erz und Diamanten geschmiedet hatte, ließ sich Oliva, wie alle exzeptionellen Naturen, durch ihre Feerei entführen, sie nahm Flügel, um im Raum ihrer Gefährtin entgegen zu eilen, der sie, in ihrer Ungeduld, hätte Flügel wie die ihrigen wachsen sehen mögen.
    Doch die Dame mit dem Monument rührte sich nicht, sie schien auf ihrem Stuhle zu schlummern. Zwei Stunden waren vergangen, ohne daß sie um einen Grad aus ihrer Linie gewichen war.
    Oliva war in Verzweiflung. Sie wäre Adonis oder Beausire nicht den vierten Theil so weit entgegengekommen wie der Unbekannten.
    Der Sache überdrüssig und von der Zärtlichkeit zum Haß übergehend, öffnete und schloß sie zehnmal ihr Fenster; zehnmal scheuchte sie die Vögel aus dem Blätterwerk auf, und machte gefährdende telegraphische Geberden, welche das stumpfste der Werkzeuge des Herrn von Crosne, wenn es über das Boulevard oder am Ende der Rue Saint-Claude gegangen wäre, unfehlbar gesehen und zum Gegenstand einer scharfen Aufmerksamkeit gemacht hätte.
    Endlich machte Nicole sich selbst weiß, die Dame mit den schönen Flechten habe alle ihre Geberden wohl gesehen, alle ihre Signale wohl begriffen, aber sie verachte dieselben; sie sei eitel oder einfältig; einfältig! mit so feinen, geistreichen Augen, mit einem so beweglichen Fuß, einer so

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