Das Halsband der Königin
zu können, wollten die Juweliere nicht verscherzen. Das Kollier, ursprünglich von Ludwig XV. für Madame Dubarry bestimmt, war ihnen durch den Tod des Königs liegengeblieben. Nun hatte es Marie-Antoinette abgelehnt. Die Reisen in alle Welt, um die Steine zu beschaffen, die teuren Juwelen selbst, die kunstreiche Arbeit, die man auf sie verwandt hatte, mußten einmal Entschädigung fi nden. So kam es, daß gegen Abend desselben Tages in der Gesandtschaft ein Brief überreicht wurde, in dem Herr Boehmer unter Versicherung seines untertänigsten Respekts sich erbot, Seiner Exzellenz das ori-ginale Stück zur Besichtigung vorzulegen.
»Das Halsband haben wir«, sagte Dom Manoel voller Genugtuung.
»Wir müssen es nur noch bezahlen«, bemerkte Beausire ironisch. Es ärgerte ihn, daß der Portugiese sich mehr und mehr begnügte, seine Rolle zu spielen, und die Hauptlast des Unternehmens ihm, Beausire, überließ. Schließlich war er es, der die Kollegen in ihrem verschiedenen Tun im Haus überwachte, damit Ungeschicklichkeiten vermieden wurden. Er hatte dem Kanzleivorsteher den Kassenschlüssel für kurze Zeit abgelistet, um ihn in Wachs abzudrücken. Er mußte jetzt, wenn Herr Boehmer mit dem Halsband käme, die schwierige Verhandlung über die Bezahlungsweise des Schmucks führen. Kurz, er fühlte sich als die entscheidende Figur in dem Millionenspiel.
Nun, es zeigte sich, daß Herr Boehmer nicht nur den Schmuck, sondern auch die Bereitschaft mitbrachte, auf die Angebote der Herren einzugehen. Eine Baranzahlung von hunderttausend Francs bei Vertragsschluß war ihm genehm. Von seiner Glaubwürdigkeit als Gesandter zunehmend überzeugt, erwartete Dom Manoel, daß das Kollier ihm damit in die Hände fi ele. Wenn die Juweliere die restliche Million vierhunderttausend Francs von dem ehrwürdigen Bankhaus Núnez Balboa in Lissabon einfordern würden, wäre man mit dem Schmuck über alle Berge. Boehmer jedoch verhandelte zähe, verlangte Sicherheiten, wollte Erkun-dungen in Lissabon einziehen, so daß Beausire vorschlug, Herr Boehmer sollte, selbstverständlich auf Kosten der Gesandtschaft, in Begleitung eines der Herren nach Lissabon reisen, um Ihrer Majestät die Diamanten persönlich zu überreichen und die Rest-zahlungen in Empfang zu nehmen.
Boehmer schien den Vorschlag gutzuheißen. Er versprach, seinen Kompagnon zur Annahme dieser Bedingungen zu bewegen.
Bevor er sich verabschiedete, erbat er sich aber eine Frist von drei Tagen. Der Respekt vor Ihrer Majestät, der Königin von Frankreich, zwinge ihn, den Schmuck nicht außer Landes gehen zu lassen, ohne die Königin wenigstens davon benachrichtigt zu haben.
Dom Manoel entließ den Juwelier mit gnädiger Gebärde; er wünschte, sagte er, es handelten alle Kaufl eute so loyal. Aber kaum war Boehmer gegangen, forderte er, außer sich vor Wut, Beausire zur Rechenschaft für seine Eigenmächtigkeit.
»Eine Reise nach Lissabon, sind Sie verrückt geworden? War nicht ausgemacht, daß Sie die Übergabe der Diamanten bei der Anzahlung erreichen sollten?«
»Kommandeur«, rief Beausire den Kammerdiener, »du hast doch mitgehört. Was meinst du, hätte uns der Deutsche den Schmuck für die hunderttausend ausgeliefert?«
»Boehmer hat das Palais die ganze Zeit überwachen lassen. Miß-
trauen gehört zu seinem Gewerbe. Unsere einzige Möglichkeit, an die Steine zu kommen«, schloß grinsend der Kommandeur,
»ist ein kleiner Überfall auf der Reise.«
Bei dem Zeitungsschreiber
In der Rue Montorgueil, hinter einem Hof, den ein Gitter um-schloß, erhob sich ein schmales, kleines Haus, das schwere Fensterläden wie in der Provinz gegen den Straßenlärm abschirmten. Das Erdgeschoß, das nur durch Überspringen stinkender Pfützen zu erreichen war, stellte eine Art halboffenen Laden dar.
Dieses Haus gehörte einem ziemlich bekannten Journalisten. Er bewohnte den ersten Stock, während das Erdgeschoß als Magazin der fertiggestellten, zu Stapeln gehäuften Nummern diente. Die beiden oberen Etagen hatten ruhige Leute inne, die billige Miete für die Unannehmlichkeit zahlten, mehrmals im Jahr geräusch-vollen Szenen zwischen dem Zeitungsmann und der Polizei oder beleidigten Privatpersonen und gekränkten Schauspielern beizuwohnen. An solchen Tagen zogen die Mieter des Gitterhauses, wie es im Viertel hieß, ihre Fensterläden zu, um das Geschrei des Zeitungsschreibers desto besser mitzuhören, der sich der Bedrohung für gewöhnlich durch eine Hintertür zur Rue des
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