Das Halsband der Königin
Majestät«, antwortete der Polizeipräfekt. »Sie ist nur arm und vielleicht ein wenig zu ehrgeizig.«
»Wie immer dem sei«, sagte Louis, »ich habe eine instinktive Abneigung gegen diese Frau, ich habe das Gefühl, daß sie mir Unglück bringt …«
»Das ist ja Aberglaube, Sire!« entgegnete die Königin. »Geh, hole sie«, bat sie die Prinzessin de Lamballe.
Zwei Minuten später erschien Jeanne bescheiden, fast schüchtern, aber vornehm in Haltung und Kleidung.
Der König hatte der Tür der Rücken gekehrt, aber die Königin führte die Gräfi n vor ihn hin.
»Madame«, sagte sie, »ich bitte Sie zu erzählen, was Sie am Tag meines Besuchs bei Herrn Mesmer gesehen haben; berichten Sie alles Punkt für Punkt.«
Damit begab sich Marie-Antoinette an einen Platz, von dem aus ihr Blick die Zeugin nicht beeinfl ussen konnte.
Jeanne schwieg zunächst und begann ihren Bericht erst nach abermaliger Aufforderung.
Welch eine Rolle für sie! Scharfsinnig hatte sie sogleich erraten, daß die Königin jetzt ihrer bedurfte, daß es galt, falschen Verdacht gegen Marie-Antoinette zu zerstreuen, und daß sie, Jeanne, in der Lage war, sie zu rechtfertigen, ohne zu lügen. Nur eine Kleinigkeit würde sie verschweigen, eine entscheidende Kleinigkeit!
Als es darum ging zu begründen, weshalb sie die Königin ge-drängt hatte, die Maske anzulegen und das Haus Mesmers umgehend zu verlassen, sagte sie schlicht: »Ich hatte das unüberwind-liche Empfi nden, Ihre Majestät sei in jenem Hause, wo lächerliche Leiden und Heilungen ein plumpes Schauspiel bieten, nicht am Platz. Ich bitte Eure Majestät demütig um Vergebung, daß ich gewagt hatte, so frei zu denken, aber ich folgte einem weib-lichen Instinkt.« Damit stockte sie und senkte den Kopf; Tränen schienen sie in der Kehle zu würgen.
Sogar der Polizeipräfekt war ergriffen. Die Königin dankte Madame de La Motte mit einem Blick.
Der König rührte sich nicht.
»Haben Sie gehört, Sire?« fragte Marie-Antoinette.
»Ich bedurfte des Zeugnisses von Madame nicht«, sagte er endlich und hob die Sitzung auf.
»Bruder«, sagte er, als er den Grafen de Provence verabschiedete, »ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, mit der Sie sich um die Rechtfertigung Ihrer Schwägerin bemüht haben.«
Bei der Königin
Marie-Antoinette, in ihre Gemächer zurückgekehrt, hatte Madame de La Motte, die sich zurückziehen wollte, mit einem liebenswürdigen Lächeln aufgefordert zu bleiben. Sie wußte zu schätzen, mit welch bemerkenswertem Takt die Gräfi n in dieser peinlichen Situation sich vor dem König betragen hatte, und gedachte, sich ihr dankbar zu erweisen, indem sie die Audienz verlängerte. Vor allem aber wollte sie die rätselvolle Übereinstim-mung des Polizeiberichts mit dem Pamphlet ergründen; die un-faßliche Gefahr, die sie umlauerte, beunruhigte sie, und sie brachte das Gespräch abermals auf den Vorfall bei Mesmer. Doch Jeanne gab das Geheimnis der Doppelgängerin auch jetzt nicht preis, gestand nur zu, daß in der Tat eine jüngere Frau dort durch ungebührliches Betragen die allgemeine Aufmerksamkeit erregt hät-te, was eben ihr der Anlaß gewesen sei, Ihre Majestät am Vorschreiten in die Säle zu hindern. Die Königin begriff einmal mehr, daß sie Feinde hatte.
Unterdes war Andrée de Taverney eingetreten, Jeanne erkannte in ihr die zweite Dame der Wohlfahrtsstiftung, doch war ihr unter dem klaren, wachen Blick Andrées nicht wohl, und sie hoffte, bald einen günstigen Abgang zu fi nden. Aber die Königin erkundigte sich nun freundlich, wer Jeanne protegiere, und die Gräfi n nannte den Kardinal Rohan. Sie lobte seine Großmut und betonte, daß der Prinz Ihrer Majestät höchste Verehrung, ja Anbetung entgegenbringe. Doch war bei allem Geschick, das Jeanne auf-wandte, der Königin nicht mehr zu entlocken als ein schallendes Lachen. Zugleich versicherte sie Jeanne, von dieser Anbetung sehr wohl zu wissen, und sie möge dem Kardinal ausrichten, daß sie ihm diese nicht verübele.
Der ironische Ton der Königin erregte Jeannes Neugier über die Maßen, doch ehe sie zu einer Erkenntnis darüber gelangen konnte, stellte sich der Graf d’Artois bei seiner Schwägerin ein.
»Von der Wolfsjagd zurück?« fragte ihn die Königin und reichte ihm nach der englischen Mode, die auf dem Kontinent bereits Fuß faßte, die Hand. Mit einem Wink bedeutete sie den beiden Damen, die sich entfernen wollten, zu bleiben.
»Und sehr zufrieden sogar«, antwortete d’Artois lachend,
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