Das Halsband der Königin
wie du jetzt Vaudreuil und Coigny vom Hofe vertreiben könntest. Nein, nein, Philippe, ich zolle dir alle Achtung!«
»Hören Sie, Vater, alles, was sie da reden, ist der schändlichste Unsinn«, rief Philippe, indem er den Alten am Arm rüttelte,
»und Ihr Herr de Charny ist so sehr mein Zögling, mein Liebling, mein gehätschelter Nachfolger, daß ich ihm mit dieser Klinge soeben die Rippen durchstoßen habe!«
»Philippe, Philippe, sag, daß das ein Scherz ist!« rief der Greis, aus seinen Träumen gerissen.
Aber der junge Taverney stürmte verzweifelt davon.
»Schnell, schnell, einen Berittenen!« rief der Greis einem Diener zu. »Man möge sich nach Herrn de Charnys Befi nden erkundigen! Aber nicht vergessen zu sagen, daß ich nach ihm fragen lasse!«
Damit sank er enttäuscht in sich zusammen.
»Ach, du Kuckucksei Philippe!« murmelte er. »Der ungeratene Bruder seiner ungeratenen Schwester. Ich bin in dieser Familie doch der einzige strategische Kopf!«
Das übriggebliebene Pamphlet
Stets eifrig, wenn es um Gerüchte über den Lebenswandel seiner Schwägerin ging, legte der Graf de Provence dem König ein Exemplar jenes Pamphlets vor, das den Vernichtungsaktionen der jungen Herren unbegreifl icherweise entgangen war.
Der König befahl Herrn de Crosne, den Polizeipräfekten, in sein Kabinett, und es zeigte sich, daß der Polizeibericht über den Besuch Ihrer Majestät bei Mesmer gewisse Angaben der Schmähschrift keineswegs dementierte.
Der König war niedergeschmettert. Der Graf de Provence heuchelte tiefe Besorgnis.
»Sire«, meldete Herr de Crosne, »bei aller Verehrung, die ich Ihrer Majestät entgegenbringe, muß ich bekennen, daß der Verfasser der Schrift nicht völlig frei erfunden hat. Eine Königin von Frankreich, die in bürgerlicher Tracht sich in jene zweideutige Gesellschaft begibt, die sich von Mesmers Scharlatanerien ver-locken läßt, allein dort auftritt …«
»Allein? Sie irren, Herr de Crosne.«
»Der Bericht, der mir vorliegt, ist so genau, daß ich Eurer Majestät alle Einzelheiten schildern könnte, die Toilette, die Gebärden, als sie den Bottich probierte, die, mit Verlaub, Sire, die Indezenz der Aufführung, die Schreie …«
Der König erblaßte. Er zerknitterte das Pamphlet. Ratlos blickte er bald seinen Bruder, bald den Polizeiminister an, der schüchtern verstummt war.
»Ich begreife das alles nicht«, stöhnte Louis, »man muß die Prinzessin de Lamballe befragen. In ihrer Begleitung hatte sich die Königin an jenen Ort ihrer Neugier begeben wollen.«
Nicht lange darauf betrat Madame de Lamballe den Raum. Zart rauschende Seide umspielte ihre anmutige, makellose Erscheinung. Das Wort dieser Frau hätte niemand am Hof in Zweifel gezogen.
Die Prinzessin erklärte den Herren, wie der Besuch Ihrer Majestät bei Mesmer verlaufen war, wie die Königin gekleidet gewesen, wie eine Dame Ihrer Majestät eine Maske angeboten und sie an-gefl eht hatte, nicht weiterzugehen. Befragt, wer diese Dame war, nannte die Prinzessin Madame de La Motte-Valois.
Der Graf de Provence schlug vor, jene Frau zu verhören, die das Geheimnis dieses ganzen Vorfalls wohl entdecken könnte, aber sosehr die Aussagen der Prinzessin den König zunächst erfreut und erleichtert hatten, sosehr erzürnte es ihn, von »dieser Intrigantin« zu hören.
»Und könnte sie meine letzten Zweifel zerstreuen«, rief er, »ich will diese Kreatur nicht vor mir sehen.«
»Und doch werden Sie es tun«, rief die Königin, die, blaß vor Erregung, auf der Schwelle erschien. »Diese Frau ist meine Zeugin, die meine Ankläger verstummen machen kann!« Und sie richtete den Blick auf ihren Schwager.
»Madame«, antwortete der König, »ich kann nicht nach Frau de La Motte schicken, damit sie hier für oder gegen Sie aussagt.
Ich lege nicht Ihre Ehre gegen die Wahrhaftigkeit dieser Frau in die Waagschale.«
»Man braucht nicht nach ihr zu schicken«, entgegnete Marie-Antoinette, »denn sie ist hier. An jenem Tag, an dem ich die un-glückliche Frau besuchte und an dem, wie Sie wissen, Sire, üble Gerüchte ihren Anfang nahmen, vergaß ich dort eine kleine Dose, die Frau de La Motte-Valois mir heute zurückbringt.«
»Gut, gut, Madame, aber ich will sie nicht sehen«, beharrte Louis.
»Aber ich verlange Genugtuung. Was spricht dagegen, die Frau vorzulassen? Herr de Crosne, da Sie ja alles zu wissen scheinen, was ist Ihnen über diese Frau bekannt?«
»Ich kann nichts Ungünstiges über die Dame vermelden,
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