Das Halsband der Königin
untadelige, stolze Haltung war dahin, ihre sonst so klare Stimme klang brüchig.
Ihrem Stammeln entnahm der Arzt, daß auch sie um den jungen Offi zier mehr als gewöhnlich besorgt war. Und wer die Frau gewesen, die vorhin hier war, suchte sie mit brennender Begier zu erforschen. Der Doktor konnte sie mit der Auskunft, daß es Madame de Miséry gewesen sei, schnell beruhigen. Andrée entschuldigte sich für ihr seltsames Gebaren und behauptete, von ihrem Bruder geschickt worden zu sein, da Charny die Wunde von ihm im Duell empfangen habe.
Soll sich der Teufel in den Weibern auskennen, dachte der Doktor, ich bin kein Psychologe. Und laut setzte er hinzu: »Da der König den jungen Mann in seinen Schutz genommen hat, empfehle ich Ihrem Bruder, einige Zeit zu verschwinden für den Fall, daß der Verwundete in Lebensgefahr gerät. Sie wissen, Duelle sind per Edikt verboten, und in diesem Fall wäre der König ge-wiß sehr streng. Und nun gehen Sie, Mademoiselle, nehmen Sie ein paar Tropfen Laudanum, ich muß mich um den Patienten kümmern. Adieu.«
Sacht, aber entschieden schloß er hinter sich die Tür.
Als Andrée am nächsten Morgen um Nachricht kam, erfuhr sie voll Freude, daß die Entzündung zurückgegangen und der Kranke auf dem Weg der Genesung sei.
Für einen Arzt ist nur der Kranke von Interesse, der seiner Hilfe bedarf. Ein Genesender ist ihm schon fast gleichgültig. Doktor Louis war um so mehr interessiert, Olivier de Charny loszuwer-den, als die Geheimnisse dieses Patienten ihn belasteten, und nach acht Tagen hielt er es für verantwortlich, ihn fortbringen zu lassen. Aber Charny wehrte sich wie ein Rasender, geriet abermals in fi ebrige Wut, seine Wunde platzte wieder auf und er schrie in Gegenwart der Diener, die ihn aufheben sollten, daß man ihn fortschaffen wolle, um ihn seiner Visionen zu berauben, aber das sei vergeblich, denn die geliebte Frau werde ihm doch rettend erscheinen. Sie sei von so hohem Rang, daß er keinen Menschen zu fürchten brauche. Und so ging das weiter.
Der Doktor schickte die Diener hastig fort. Er versuchte, dem Phantasierenden begütigend zuzureden, wagte ihm aber keine Medikamente einzugeben, weil der Kranke ihm nahe daran schien, in Irrsinn zu verfallen.
»Sie hat ihn toll gemacht«, knurrte Doktor Louis, »also muß sie ihn heilen, sanft oder mit Gewalt.«
Wieder sprach er bei der Königin wegen seines Patienten vor, und Marie-Antoinette war nach einigem Sträuben, hinter dem sie ihre Bestürzung verbarg, bereit, die heikle Pfl icht zu erfüllen.
Vor den Räumen des Doktors traf sie auf Andrée de Taverney.
Sie hätte ihr zürnen müssen, da sie an diesem Morgen noch nicht zum Dienst erschienen war, doch entschuldigte sie Andrée, da sie wohl wußte, daß sie bei dem Schritt, den sie hier wagte, der Nachsicht ihrer Vertrauten bedurfte.
Diesmal betrat die Königin das Krankenzimmer, der Doktor und Andrée blieben im Vorraum.
Charny saß in einem Lehnstuhl. Als er die Besucherin erblickte, fuhr er zusammen. »Die Königin«, murmelte er.
»Ja, mein Herr, die Königin«, sagte Marie-Antoinette, »die Königin, die weiß, wie heftig Sie sich bemühen, Verstand und Leben zu verlieren, die Königin, die Sie in Ihren Träumen und im Wachen beleidigen, die Königin, die um Ihre Ehre und Ihre Sicherheit besorgt ist! Darum kommt sie zu Ihnen, Monsieur, und Sie sollten sie nicht so empfangen.«
Charny hatte sich zitternd und bestürzt erhoben, bei den letzten Worten war er auf die Knie gesunken und verharrte, als Schuldiger niedergebeugt, von körperlichem und seelischem Schmerz so ver-nichtet, daß er weder aufstehen konnte noch wollte.
»Ist es denn möglich«, fuhr die Königin, gerührt von diesem Respekt und diesem Schweigen, fort, »daß ein Edelmann, der einmal als einer der ergebensten galt, wie ein Feind wütet, um den Ruf einer Frau zu zerstören? Denn beachten Sie, Herr de Charny, seit unserer ersten Begegnung war es nicht die Königin, die Ihnen gegenübertrat, das hätten Sie niemals vergessen dürfen.«
Charny wollte ein Wort der Verteidigung sagen, aber Marie-Antoinette ließ ihm dazu keine Zeit.
»Was werden meine Feinde tun«, sagte sie, »wenn Sie das Beispiel des Verrats geben?«
»Verrat …«, stammelte Charny.
»Wollen Sie wählen, Monsieur? Entweder sind Sie ein Wahnsinniger, dann werde ich Ihnen die Möglichkeit entziehen, Unheil anzurichten, oder Sie sind ein Verräter, dann werde ich Sie be-strafen.«
»Madame, sagen Sie nicht, daß ich
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