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Das Halsband der Königin

Das Halsband der Königin

Titel: Das Halsband der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Steuerbelastung anstrebte, die Ländereien und Einkünfte von Adel und Klerus tributpfl ichtig machen wollte, rannte er an gegen Mauern, forderte er schonungslos das unter den gegebenen Verhältnissen Unmögliche. Wie kann man Mißstände abstellen, indem man mit denen darüber verhandelt, die an diesen Mißständen interessiert sind? Setzt man einen Feind von der Stunde in Kenntnis, da man seine Festung erstürmen will?
    Calonne hatte das begriffen. Statt dem unvermeidlichen Zu-sammenbruch entgegenzuarbeiten, beschleunigte er ihn. In diesem Sinn war er in der Tat mehr ein Freund der Nation als der Schweizer Necker. Er legte es darauf an, König und Adel binnen zwei Jahren in den Bankrott zu treiben, den man immerhin noch zehn Jahre hätte hinauszögern können, und dann, nach zwei Jahren, zu sagen: Jetzt, ihr Reichen, müßt ihr zahlen, denn die Armen hungern und werden euch fressen, wenn ihr sie nicht nährt.
    Wie war es möglich, daß der König diesen kühnen Plan und seine Folgen nicht durchschaute? Wahrscheinlich ahnte er schau-dernd, wohin sein Minister ihn führte, schloß aber ohnmächtig die Augen und glaubte, es werde schon alles irgendwie gut gehen. Wer am Ende ist, hofft immer auf Wunder. Und die Königin, hatte sie klareren Durchblick als ihr Gemahl? Diese ganze Halsbandgeschichte beweist ihre tödliche Blindheit.
    Herr de Calonne, schön, hochgewachsen, vornehm und überlegen, trat also bei der Königin ein, die mit ihm ein huldreiches Gespräch über tausend Nichtigkeiten anknüpfte, ehe sie die Frage stellte, die sie eigentlich bewegte:
    »Wie ist es, lieber Herr de Calonne, haben wir Geld?«
    »Geld? Aber gewiß, Madame, wir haben immer Geld.«
    »Großartig! Ich habe nie einen Menschen gefunden, der in Finanzfragen so einsichtig wäre wie Sie.«
    »Welche Summe benötigen Eure Majestät?«
    »Erklären Sie mir zuerst, woher Sie Geld aufgetrieben haben, da Herr Necker doch stets unfähig war, welches fl üssig zu machen?«
    »Herr Necker hatte vollkommen recht, Madame. Am 5. No-vember 1783, als ich das Ministerium übernahm, bestand der gesamte Staatsschatz aus genau eintausendzweihundert Francs.
    Doch hätte Herr Necker, anstatt zu sagen, es ist kein Geld da, kurzerhand Anleihen aufgenommen, wie ich es tat – hundert Millionen im ersten Jahr, hundertfünfundzwanzig im zweiten, im dritten noch einmal achtzig –, dann wäre er wirklich ein Finanz-mann gewesen. Jeder Kanzlist kann sagen: Es ist kein Geld in der Kasse. Die wahre Kunst ist aber zu sagen: Wir haben Geld.«
    Marie-Antoinette lachte.
    »Sie sind unvergleichlich, Calonne, ich beglückwünsche Sie.
    Aber wie wird man diese Schulden bezahlen? Denn bezahlen muß man sie doch einmal, nicht wahr?«
    »Madame«, entgegnete Calonne mit einem Lächeln, dessen furchtbare Hintergründigkeit zu ermessen der Königin gar nicht in den Sinn kam, »man wird diese Schulden bezahlen. Dafür bür-ge ich Ihnen.«
    »Ich verlasse mich auf Sie«, sagte Marie-Antoinette. »Gewiß haben Sie neue Ideen?«
    »Ich habe eine, die der Nation zwanzig Millionen und der Kasse Eurer Majestät sieben bis acht Millionen einbringen wird.«
    »Diese Millionen werden hier wie dort willkommen sein. Woher sollen sie uns zufl ießen?«
    »Eure Majestät weiß sicherlich, daß die Goldmünze nicht in allen europäischen Staaten den gleichen Wert hat. In Spanien gilt das Gold zum Beispiel seit fünf, sechs Jahren achtzehn Unzen mehr als in Frankreich. Wer Gold aus Frankreich nach Spanien exportiert, verdient ungefähr vierzehn Unzen je Münze. Wüßten alle Geldleute, was ich weiß, gäbe es binnen Jahresfrist in Frankreich keinen einzigen Louisdor mehr.«
    »Wie wollen Sie das verhindern?«
    »Ganz einfach, ich erhöhe den Wert des Goldes um fünfzehn Prozent. Niemand wird mehr einen Louisdor in den Truhen ver-wahren, wenn er merkt, daß sein Gold Prozente abwirft. Dann lassen wir die Währung umprägen, und die Goldmünze, die heute dreißig Louis wert ist, wird auf zweiunddreißig umnominiert.«
    Die Königin fand ihr Interesse an den Finanzfragen des Staates hinreichend befriedigt und nannte, mit einiger Scheu allerdings, die Summe, die sie fürs erste benötigte, also fünfhunderttausend Francs.
    »Ach«, rief der geniale Calonne, »nach Ihrem Zögern fürchtete ich, es handle sich um eine beträchtlichere Summe.«
    »Sie können also?«
    »Aber gewiß.«
    »Ohne daß der König …«
    »Oh, das ist unmöglich, Madame; meine Abrechnungen werden monatlich dem König

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