Das Halsband der Königin
und Europa war in zwei Teile zerrissen. Seine Majestät war jedermann gram, sogar Herrn de Calonne. Vergeblich bot der ihm mit lachender Miene sein schö-
nes parfümiertes Portefeuille dar. Der König kritzelte schweigend und verstimmt auf ein weißes Blatt Papier Schraffuren, was Sturm bedeutete – so wie Männchen und Pferde gut Wetter hießen.
Denn während der Ratssitzungen pfl egte der König zu zeichnen. Er sah den Menschen nicht gern ins Gesicht, er war schüchtern; die Feder in seiner Hand gab ihm Sicherheit und eine Haltung. Während er so beschäftigt war, konnte der Redner seine Argumente ausbreiten; der König hob nur dann und wann den Blick, gerade so lange, daß er den Mann, der da sprach, nicht vergaß. Und sprach er selber, nahm das Zeichnen seiner Rede jeg-lichen Anfl ug von Prätention, er brauchte keine Gesten zu machen; er konnte je nach Belieben sich unterbrechen oder sich er-eifern, die Striche auf dem Papier ersetzten das gestische Beiwerk seiner Worte.
Der König also nahm die Feder zur Hand wie üblich, und die Minister trugen ihre Projekte oder diplomatische Noten vor, ohne daß er ein Wort dazu sagte. Er ließ die Auslandskorrespondenz vorübergehen, als ob er davon nicht das mindeste verstünde. Erst als die Abrechnungen für den Monat an die Reihe kamen, hob er den Kopf.
Herr de Calonne verlas ein Memorandum über die für das kommende Jahr geplanten Anleihen, und der König begann wütend zu schraffi eren.
»Immer diese Anleihen«, knurrte er, »und niemand weiß, wie man sie bezahlen soll; das ist ein fatales Problem, Monsieur.«
»Sire, eine Anleihe aufnehmen heißt aus einer Quelle schöpfen; hier läuft das Wasser aus, dort fl ießt es über. Mehr noch, es ver-doppelt sich, empfängt aus unterirdischen Strömen neuen Zufl uß.
Man sollte nicht fragen: wie bezahlen wir? Das Problem ist: wor-auf bekommen wir Kredite? Eure Majestät sprachen von einem Problem. Das wahre Problem ist nicht die Rückerstattung, sondern das Auffi nden von Gläubigern.«
Der König wußte dem nichts zu erwidern, aber er schraffi erte so dicht, daß das Papier schwarz wurde.
Nachdem Calonne seinen Plan vorgelegt und die Zustimmung der Kollegen eingeholt hatte, unterzeichnete Ludwig seufzend.
»Und jetzt«, fuhr Herr de Calonne lächelnd fort, »da wir Geld haben, gehen wir daran, es auszugeben.«
Der König sah den Minister mit einer Grimasse an und machte aus den Schraffuren einen riesigen Tintenbrei.
Herr de Calonne legte ihm ein Budget vor, das Pensionen, Gra-tifi kationen, Schenkungen und Solde enthielt. Ludwig blätterte, bis er die Endsumme fand.
»Eine Million einhunderttausend für lauter Kleinigkeiten?«
fragte er. »Wie ist das möglich?«
»Lesen Sie, Sire, überzeugen Sie sich«, sagte Calonne.
Ludwig überfl og unwillig die Zahlen, sein Blick blieb an dem einzigen herausragenden Betrag haften.
»Fünfhunderttausend Francs«, sagte er, »wofür?«
»Eine Vorschußzahlung an Ihre Majestät, die Königin.«
»Vorschuß an die Königin? Die Königin hat ihr Taschengeld erhalten. Der Posten wird gestrichen.«
Der Finanzminister verteidigte die Königin, aber Ludwig blieb fest. Er nahm die Feder, strich eigenhändig Marie-Antoinettes Juwelengeld, dann unterschrieb er, stolz auf seine Sparsamkeit, in blindem Vertrauen alle übrigen Schriftstücke und malte ein wun-derhübsches Zebra in einen Kranz von Nullen.
Marie-Antoinette und Madame de La
Motte
Die Königin bestellte Madame de La Motte zu sich und unterrichtete sie betrübt über ihr Mißgeschick.
»Fahren Sie schnell nach Paris«, sagte sie, »und sagen Sie dem Kardinal, daß ich die fünfhunderttausend Francs für die erste Rate von ihm annehme, bis ich sie zurückzahlen kann.«
»Ach, Madame«, erwiderte Jeanne, »dann sind wir verloren. Der Kardinal hat kein Geld mehr. Eine vergessene Schuldforderung ist präsentiert worden, er konnte nicht anders. Es war sein letztes Geld.«
Die Königin fuhr auf, als wäre sie beschimpft worden. Dann versank sie in Schweigen.
»Das ist eine furchtbare Lektion«, sagte sie schließlich, »ich werde bestraft, weil ich Geheimnisse vor dem König hatte und mein Begehren unbedingt befriedigen wollte. Ich brauchte dieses Halsband ja gar nicht.«
»Gewiß, Madame, aber wenn eine Königin nur ihre Bedürfnisse, nicht aber ihre Neigungen befriedigen darf …«
»Ich hätte zuerst an die Ruhe und den Frieden meines Hauses denken müssen. Diese Niederlage soll mich lehren, welchen
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