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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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überkochender Teekessel.
    Getreu den Regeln des Kampfes waren die Schwächeren nach dem Sieg über den Stärksten sogleich gezähmt.
    »Sie sind wohl eine Art Zirkusdompteur?«, knurrte der Hauptmann verächtlich, aber nicht mehr aggressiv.
    »So eine Art.«
    Fandorin tat einen Schritt vorwärts, sodass Hochwürden beiseite treten und der Ehrenwerte Tobias seinen Zögling wegziehen musste.

    Nach diesem Zwischenfall war ein zivilisiertes Verhältnis zu den Lynns ausgeschlossen, und wenn Fandorin einem von ihnen im Park begegnete, verbeugte er sich nicht, sondern trat nur schweigend beiseite, wenn es sich um eine Dame handelte.
    Dem Leoparden allerdings stattete er Besuche ab – nachts.
    Er stand vor dem Schmiedeeisernen Pavillon und atmete die Frühlingsdüfte ein. Die Augen des Tieres funkelten in der Dunkelheit mal gelb, mal grün. Fandorin streichelte den Leoparden nicht, das wäre zu familiär gewesen, sagte aber hin und wieder »miezmiez«, und dann schnurrte der Afrikaner wie eine Katze.
    In einer sternenklaren Nacht, wie sie in Bristol selten sind, blickten Fandorin und Skalper zum Himmel, jeder voller Sehnsucht nach seiner Heimat. Bei dem Leoparden war das erklärlich – jeder weiß, wie blendend hell die Sterne in der Savanne sind, doch Fandorin, der Sohn blasser Nordhimmel, hätte eigentlich keinen Grund gehabt, wehmütig zu sein. Aber das ist nun einmal eine Eigenheit des Sternenhimmels: Jeder, der ihn anschaut, verspürt einen süßen Stich ins Herz. Vielleicht stammen wir ja tatsächlich von irgendwo dort?
    Das war ein interessantes Thema, und Fandorin sinnierte bei seinem Spaziergang durch den Park noch eine Weile über fremde Planeten.
    Als der Mond hinter einer kleinen Wolke verschwand, funkeltendie Sterne noch heller; besonders das Sternbild der Großen Bärin, das im April am besten zu erkennen ist.
    Fandorin legte den Kopf in den Nacken und erstarrte.
    Ganz in der Nähe murmelte jemand: »There she waits for me, under the Bear.«
    Der Träumer zuckte zusammen und entdeckte im tiefen Schatten, unter einem Busch, einen greisen Gentleman im Rollstuhl. Er war in ein Plaid gehüllt und trug eine gestrickte Kappe auf dem Kopf.
    An der Kopfbedeckung erkannte Fandorin, dass er Graf Berkeley höchstpersönlich vor sich hatte. Als diese Kappe einmal am Fenster des großen Hauses aufgetaucht war, hatte Miss Palmer gesagt: »Da ist ja der arme Graf. Er schaut aus dem Fenster in die Freiheit. Was ist ihm denn noch geblieben? Früher hat er gepoltert wie Donner und mit den Füßen aufgestampft, dass die Erde bebte. Und nun ist er an den Rollstuhl gefesselt und ständig auf einen Diener angewiesen.«
    Auch jetzt flüsterte eine leise Stimme in der Dunkelheit: »Guten Abend, Sir.« Neben dem Gebüsch blitzten die Tressen der Livree auf. »Ich bin Jim. Wenn die Nacht sternenklar ist, leidet Seine Gnaden immer unter Schlaflosigkeit. Da mag er einfach nicht schlafen.«
    Fandorin verbeugte sich leicht vor den beiden, dem Lord und seinem Diener. Er wollte dem Greis eine Artigkeit sagen, doch dieser schaute nicht ihn an, sondern die Große Bärin.
    »O yes, right under«, flüsterten die schlaffen Lippen kaum hörbar.
    Der Graf regte sich, das Plaid glitt ihm von der Schulter, und Fandorin sah, dass der Greis mit Riemen an den Stuhl gefesselt war.
    Vermutlich zur Sicherheit? Damit er nicht herausfiel?

    Sosehr Fandorin seine Freundin auch zu überreden versuchte, Skalper kennenzulernen, sooft er sie auch zu einem Abendspaziergangim Park einlud – Miss Palmer stöhnte nur und verdrehte die Augen. Dafür konnte es nur eine Erklärung geben: Sie machte sich gern selbst Angst. Sie war weder besonders furchtsam noch damenhaft empfindlich, und ihr Geist war schärfer als eine Rasierklinge, davon hatte Fandorin sich gleich am ersten gemeinsamen Donnerstag überzeugen können.
    Donnerstags kam nämlich immer ein alter Freund seiner Wirtin zum Tee, Mr. Parsley, der Butler von Berkeley House. Er und Miss Palmer kannten sich seit vierzig Jahren. Früher war Parsley fast täglich in den Flügel gekommen, hatte jedoch wegen der Spannungen zwischen den Bewohnern des Haupthauses und Miss Palmer seine Besuche auf einmal in der Woche eingeschränkt, um die Loyalität gegenüber seinen Arbeitgebern zu wahren. Der Donnerstag aber war der rechtmäßige freie Tag des Butlers. Er übergab seine Geschäfte seinem Stellvertreter, zog ein Jackett an und hielt sich aus den Angelegenheiten der Wirtschaft heraus. Morgens las er Zeitung und

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