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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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gefragt: »Spielen Sie Mundharmonika, Sir?«
    Fandorin, bereits an englische Verschrobenheiten gewöhnt, schüttelte den Kopf. Daraufhin stellte die alte Dame die nächste Frage: »Aber Sie waren bestimmt bei der Verteidigung von Khartum dabei?«
    Fandorin räusperte sich, um seinen Unmut zu unterdrücken (sie war schließlich eine Dame), und erwiderte beherrscht: »Wenn Sie das Zimmer nur an Mundharmonika spielende V-verteidiger von Khartum vermieten, hätten Sie das in Ihrer Anzeige erwähnen sollen.«
    Er hatte doch gewusst, dass dieser Besuch sinnlos sein würde. Erwar bereits zweimal abgewiesen worden, weil er Ausländer war, und zwar in schlichteren Häusern als diesem hier, das einen eigenen Park besaß und ein Wappen am schmiedeeisernen Tor: einen massigen Bären unter einer Grafenkrone. Den anstrengenden Aufstieg ins aristokratische Clifton hätte er sich sparen können.
    »Herzlich willkommen, Sir«, sagte die Alte und ließ ihn eintreten. »Ich vermute, Sie kommen aus Russland? Das hätte ich gleich merken müssen. Offizier oder Militärspezialist?«
    Fandorin, bislang überzeugt, akzentfrei Englisch zu sprechen, war enttäuscht.
    »Haben Sie das an meiner Aussprache erkannt?«
    »Nein, Sir. An Ihrer Haltung und Ihrem Gesichtsausdruck. Wissen Sie, ich war barmherzige Schwester bei Sewastopol und habe viele Ihrer Landsleute gesehen. Ein gefangener Hauptmann hat mir sogar Avancen gemacht. Sicherlich, weil keine anderen Frauen in der Nähe waren«, setzte sie bescheiden hinzu. »Jedenfalls blieb seine Werbung ohne Folgen.«
    Die welken Wangen der Dame färbten sich bei der Erinnerung rosig, und dank des namenlosen Hauptmanns, der vor vierzig Jahren mit der Engländerin geflirtet hatte, kam Fandorin endlich zu einem Dach über dem Kopf.
    »Ich bewohne im Haus von Graf Berkeley nur diesen kleinen Flügel, es gibt nicht einmal eine Abstellkammer. Aber Sie haben ja nicht viel Gepäck, oder?« Die Vermutung war erneut richtig.
    Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass Miss Palmer überhaupt sehr scharfsinnig und eine gute Beobachterin war. Auch für die seltsamen Fragen zu Beginn ihrer Bekanntschaft gab es eine Erklärung.
    Sie hatte sich erst vor kurzem entschlossen, ein Zimmer zu vermieten, und mit den ersten beiden Mietern furchtbares Pech gehabt. Der eine hatte die ganze Zeit Mundharmonika gespielt, der andere unter Alpträumen gelitten – eine Folge seiner Erlebnisse während des Blutbades in Khartum 1885. Jede Nacht erschollen inder Wohnung markerschütternde Schreie: »Issa pfui!« und »Allah Akbar!« Aus Angst vor den Krummsäbeln sagte der Ärmste sich wieder und wieder von Jesus Christus los.
    Jeden Abend von fünf bis sechs trank Miss Palmer mit ihrem Mieter Tee. Sie kochte ihn recht dünn und verdarb ihn obendrein mit Milch, und ihre selbstgebackenen Kekse zerkrümelten in den Händen und klebten an den Zähnen, doch die Gespräche mit der alten Dame waren ein Vergnügen – Fandorin war stets bestrebt, die Teestunde nicht zu verpassen.
    Ihre eigene Geschichte erzählte die alte Dame ihm gleich in den ersten Tagen.
    Ihr Schicksal war traurig und schön – leider keine Seltenheit bei wahrhaft edlen Frauen.
    An ihre Eltern hatte Janet Palmer keine Erinnerung, ja, sie hatte sie im Grunde gar nicht gekannt. Ihr Vater, ein Dragoner-Leutnant, war bei Waterloo gefallen. Kurz zuvor hatte er geheiratet, seine Witwe war gerade achtzehn. Sie war guter Hoffnung, und die traurige Nachricht löste vorzeitige Wehen aus. Die unglückliche junge Mutter konnte nicht gerettet werden. Auch dem unter derart traurigen Umständen zur Welt gekommenen Mädchen prophezeite man einen baldigen Tod, doch die Kleine klammerte sich wie durch ein Wunder ans Leben. Oberst Graf Berkeley, der Regimentskommandeur ihres Vaters, nahm sich ihrer an und zog sie mit seinen eigenen Kindern zusammen groß. Janet war ihrem Wohltäter dankbar, und als er einen Schlaganfall erlitt, blieb sie bei dem Gelähmten, um ihm mit ihrer Gegenwart die letzten Tage zu verschönern – schließlich gab es so etwas wie eine Pflicht der Dankbarkeit.
    Die »letzten Tage« zogen sich fast zwanzig Jahre hin. Der Mann, der Janet liebte, bewunderte ihre Selbstlosigkeit zunächst und versprach zu warten, so lange es nötig war, doch jede Geduld hat einmal ein Ende. Als Miss Palmer ihren alten Grafen endlich begraben und ihre Freiheit erlangt hatte, war es zu spät zum Heiraten.
    Zwar hatte der alte Graf ihr einen Großteil seines Besitzes vererbt, doch seine

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