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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Thankmar. »Du musst den Verstand verloren haben.«
    »Wenn du schön artig bist, darfst du die Hände vor den Bauch legen«, erwiderte sein Bruder. »Falls nicht, kettet Eckard sie hinter deinem Rücken zusammen, und du musst jedes Mal die Wache um Hilfe bitten, wenn du pinkeln willst.«
    Henning streckte Eckard die Hände hin, der die Schellen um seine Gelenke schloss, ehe er sich vor ihn hockte und ihm auch Fußketten anlegte.
    Henning sah fassungslos an sich hinab, schaute wieder auf und richtete den Blick auf Wichmann. »Wie kannst du das zulassen, Onkel?«
    »Mühelos, Söhnchen«, gab Wichmann zurück und fuhr sich über den sorgfältig gestutzten, silbermelierten Bart. »Du magst der Sohn der Schwester meiner Frau sein, aber du hast nicht mehr Rückgrat als eine Schnecke.« Er spuckte aus.
    Wichmann Billung war ein arroganter Hurensohn, wie Thankmar immer geargwöhnt hatte, doch er war unbestreitbar nützlich. Und in einer Hinsicht hatte Thankmar ihm Unrecht getan, wusste er inzwischen: Wichmann hielt sich keineswegs für unverwundbar, weil er mit Königin Mathildis’ Schwester verheiratet war. Er wäre im Traum nicht darauf gekommen, sich hinter ihrem Rock zu verstecken. Seine Arroganz war vielmehr Folge seiner Überzeugung, jedem anderen Mann überlegen zu sein. Das machte ihn nicht gerade zu einem angenehmen Zeitgenossen. Aber es hatte dazu geführt, dass Ottos Entscheidung, Wichmanns jüngeren Bruder Hermann beim Kommando über den Slawenfeldzug und der Vergabe der Markgrafschaft vorzuziehen, Wichmann viel tiefer gekränkt hatte, als Thankmar für möglich gehalten hätte. Und so hatte sich der mächtige Billunger mit all seinen Gütern und seinen Männern den Rebellen angeschlossen. Der Gedanke, wie gekränkt Otto darüber sein musste, war Balsam für Thankmars Seele.
    Henning gab seinen Onkel als hoffnungslosen Fall auf und wandte sich stattdessen an Eberhard von Franken: »Ihr solltet Euch besinnen, ehe es zu spät ist. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie zornig der König war, als er hörte, dass Ihr in Westfalen eingefallen seid. Aber wenn er erfährt, dass Ihr mich gefangen genommen habt …« Er ließ den Satz unvollendet und schüttelte den Kopf, als fürchte er um den fränkischen Herzog.
    Thankmar hatte Westfalen als erstes Angriffsziel ausgewählt, weil Henning hier viel Land und einige Burgen besaß. Er hatte darauf gebaut, dass es seinen jüngeren Bruder herlocken würde, wenn ihm zu Ohren kam, dass seine Burgen in Flammen standen. Aber gleichzeitig hatte Thankmar befürchtet, Otto würde Henning nicht ziehen lassen. Darum fragte er neugierig: »Hat er dich geschickt?«
    Henning schüttelte trotzig den Kopf. »Aber hier geht es um meine Besitzungen.«
    Thankmar lachte in sich hinein. »Du bist ohne seine Erlaubnis gegangen?« Er tätschelte Henning unsanft die flaumige Wange. »Dann stellt sich die Frage, auf wen von uns beiden er wütender ist: auf mich, der dich gefangen genommen hat, oder auf dich, der hergeeilt ist, um mir in die Falle zu gehen.«
    »Falle?«, wiederholte Henning. Unsicher sah er zu Eberhard, zu Wichmann, dann zurück zu Thankmar. »Was heißt das?«
    Thankmar verschränkte die Arme. »Wichmann, Eberhard und ich sind in einer Lage, die du überhaupt nicht kennst, Brüderchen: Der König hat jedem von uns die kalte Schulter gezeigt, uns übergangen oder anderweitig …«
    »Oh, du hast ja keine Ahnung, Thankmar«, fiel Henning ihm ins Wort. »Wenn du wüsstest, wie er mich behandelt! Er lässt mich nie aus seinen Klauen, aber an allem, was ich tue, findet er etwas auszusetzen. Er hat sogar …«
    »Halt bloß die Klappe«, fuhr Wichmann ihm über den Mund. »Du bist ein verhätscheltes Knäblein ohne Ehrgefühl, weil dein Vater dir nicht die nötige Zucht und Strenge hat angedeihen lassen. Wenn der König das nachholt, sage ich: höchste Zeit!«
    Hennings Wangen brannten vor Zorn, und er schwieg bockig.
    »Was dein wohlmeinender Onkel meint, ist dies«, fuhr Thankmar fort. »Uns hat der König seine Gunst und seine Gnade entzogen. Ohne Rechtfertigung. Aber dir nicht, trotz allem, was zwischen euch vorgefallen ist. Der König liebt dich, Henning.« Er lächelte, aber sogar Henning verstand, dass es kein mildes Lächeln war. »Und darum wird er uns geben, was er uns widerrechtlich vorenthalten hat, solange wir dich in unserer Gewalt haben.«
    Henning schluckte sichtlich, aber er brachte ein verächtliches Schnauben zustande. »Du glaubst nicht im Ernst, er ließe sich

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