Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
öffnete beide Torflügel weit.
Wie ein aufgestauter Flusslauf ergossen die Belagerer sich in den schlammigen Burghof und hieben mit Schwertern, Messern, Äxten und Flügellanzen auf die Verteidiger ein. Eberhard verwickelte den Kommandanten der Garnison in einen Zweikampf, während Wichmann den Kessel mit dem brennenden Pech, an dem die Verteidiger ihre Pfeile entzündet hatten, in das nächstbeste Gebäude schleuderte. Angstvolles Wiehern und menschliche Schreie drangen heraus, und trotz des Regens stand das Strohdach in Windeseile in Flammen. Wichmann postierte sich mit zweien seiner Männer am Eingang und metzelte jeden nieder, der herauskam.
Thankmar kam es vor, als höre er das Blut durch seine Adern rauschen. Er spürte das Gewicht des Helms, vor allem das des Kettenpanzers auf den Schultern und fühlte sich doch leicht. Das Heft der guten Klinge lag vertraut in seiner Rechten, sodass es ihm vorkam, als sei das Schwert Teil seines Arms. Die Luft roch nach Rauch und Regen und jetzt auch nach Blut, war angefüllt vom hellen Klirren der Waffen und den Schreien der Verwundeten. Er galoppierte ein paar Längen nach links und kam einem seiner Männer zur Hilfe, der seine Lanze in beiden Händen hielt und wie einen Schlagstock benutzte, um gleichzeitig drei Feinde abzuwehren. Thankmar erledigte den mittleren der Verteidiger, trat dem rechten ins Gesicht, und als der linke sich abwandte und zu fliehen versuchte, folgte die Lanze ihm mit einem sirrenden Laut und streckte ihn nieder. Mit weit über dem Kopf ausgestreckten Armen landete er bäuchlings im Schlamm und blieb liegen. Thankmar ritt zu ihm, befreite die Lanze und brachte sie ihrem Eigentümer zurück.
»Danke, mein Prinz!« Er war noch ein Junge mit einem engelsgleichen Blondschopf und ein paar Pickeln auf der Stirn. »Die haben wir im Handumdrehen erledigt, Ihr werdet sehen!«
Thankmar nickte ihm zu. »Werd nicht übermütig und achte auf deine Deckung, Bübchen.« Dann wendete er sein Pferd und stürzte sich in die Schlacht, wo das Getümmel am dichtesten war.
Die Verteidiger von Belecke kämpften tapfer, aber chancenlos. Sie waren in der Unterzahl und – schlimmer noch – schienen keinen Anführer mehr zu haben. Es dauerte keine Stunde, bis mehr als die Hälfte von ihnen tot oder sterbend im Schlamm lag.
Der Prinz richtete sich in den Steigbügeln auf und rief über den Kampfeslärm hinweg: »Ergebt euch! Belecke ist gefallen! Wenn ihr die Waffen jetzt niederlegt, behaltet ihr euer Leben!« Die Zweikämpfe gerieten ins Stocken, und allmählich ebbte das Getümmel ab.
»Hört nicht auf ihn!«, widersprach eine jüngere Stimme. »Wir sind noch lange nicht geschlagen.«
Alle wandten die Köpfe. Am Eingang der etwas schäbigen Halle stand ein junger Mann in glänzender Rüstung. Weder Blut- noch Schlammspritzer verunzierten seinen blank polierten Ringelpanzer oder die Beinschienen. Langsam zog er das Schwert, stellte die Spitze vor sich auf die Erde und verschränkte die Hände auf dem Knauf. Die Klinge war ebenfalls unbefleckt.
Thankmar betrachtete ihn von Kopf bis Fuß und wartete, bis es noch ein wenig ruhiger geworden war, bis auch der letzte der Verteidiger verwirrt oder erschöpft oder lustlos die Waffen gestreckt hatte. Dann bemerkte er: »Henning Hasenfuß zieht wieder einmal in die Schlacht, wenn sie vorbei ist.«
Seine Männer lachten. Die der Burgbesatzung stierten zu Boden oder wechselten verstohlene Blicke. In manchen der Gesichter sah Thankmar Furcht, und das wunderte ihn nicht.
Henning tat, als hätte er ihn nicht gehört. »Na los, worauf wartet ihr?«, herrschte er seine Männer an. »Vergesst nicht, wem ihr euren Eid geschworen habt. Nehmt die Waffen auf und kämpft, ihr Jammerlappen!«
Ein stämmiger Kerl mit schütterem, mausbraunem Haar, der Thankmar aufgefallen war, weil er beim Fall des Tores einen kühlen Kopf bewahrt hatte, bückte sich, um seine Axt wieder aufzuheben. Aber Wichmann stellte einen Fuß auf den Schaft der Waffe und schüttelte den Kopf. »Denk nicht mal dran.«
Niemand sonst schien geneigt, Hennings Befehl Folge zu leisten. Ein rothaariger Hüne, der eine stark blutende Wunde am linken Arm hatte, trat zu Wichmann, senkte so unterwürfig den Kopf vor ihm, wie seine Größe erlaubte, und warf ihm das schartige Schwert vor die Füße. Noch zögerten die übrigen Männer von Belecke, aber dann folgte ein zweiter Rotschopf, zweifellos sein Bruder, seinem Beispiel.
»Untersteht euch, ihr Verräter!« Ein
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