Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
um seine Kehle legte und zudrückte, ihm allmählich die Luft ausging und er einen Hauch von Todesangst verspürte, sein Blickfeld zerfloss und sich verdunkelte, entlud er sich schaudernd.
Ganz langsam löste sie die Hände von seinem Hals, und dann verharrten sie alle drei, keuchend und reglos. Schließlich richtete Thankmar sich auf. Seine Knie waren weich, stellte er ohne Überraschung fest. Er zog Hilda zu sich heran und küsste sie auf die Stirn. Dann fuhr er mit den Daumen über Erentrudis’ Brustspitzen und küsste auch ihr die Stirn, länger, beinah zärtlich.
»Das machen wir heute Abend wieder«, sagte sie. Gurrend, natürlich.
Er lächelte unverbindlich. »Zieht Euch an. Ich fürchte, die Pflicht ruft.«
Während er in seine Hosen stieg, streiften die Mädchen sich kichernd ihre Kleider über, die nichts anderes als Bauernkittel waren, nur bunter gefärbt und an strategischen Stellen eingerissen. Jede warf ihm noch eine Kusshand zu, und dann waren sie fort.
Agilbert hatte offenbar beschlossen, den Anschein von Diskretion zu wahren, und kam nicht sofort hereingestürmt. So blieb Thankmar Zeit, in Frieden einen Becher zu leeren und sich ein wenig zu sammeln. Er verspürte einen eigentümlich heftigen Unwillen, sich diesem neuen Tag zu stellen. Lieber sah er ins Land hinaus und erinnerte sich an die Wonnen, die die beiden Mädchen ihm bereitet hatten.
Bis Agilbert klopfte.
»Komm rein.«
Der Kastellan war selbst kein Kind von Traurigkeit, und normalerweise hätte er die Kleidungsstücke, Laken und Decken, die in der Kammer verstreut lagen, mit einer zotigen Bemerkung kommentiert. Aber er schenkte ihnen nicht einmal einen Blick. »Unser Späher ist zurückgekehrt, mein Prinz. Der König lagert drei Meilen von hier am Ufer der Diemel.«
Thankmar nickte, schüttete Wasser aus einem bereitstehenden Ledereimer in eine Tonschale auf dem Tisch und wusch sich Gesicht und Hände. »Wie stark ist seine Truppe?«
»Tausend Mann, schätzt der Späher.«
Thankmar schnaubte in das Leintuch, mit dem er sich abtrocknete. »Da siehst du, wie gering mein königlicher Bruder mich schätzt. Wenn er glaubt, dass tausend Mann ausreichen, um uns hier zu belagern, steht ihm eine böse Überraschung bevor.«
Die Hänge des Tafelbergs, auf dem die Eresburg sich erhob, waren steil, die Palisade stark. Soweit Thankmar wusste, war Karl der Große der Einzige, dem es je gelungen war, sie zu nehmen. Nun würde sich ja zeigen, ob Otto seinem Vorbild das Wasser reichen konnte …
»Ich hoffe, der Herzog von Franken lässt uns nicht im Stich«, brummte Agilbert. »Der Meldereiter, den Ihr ihm gestern geschickt habt, ist nicht zurückgekommen.«
»Das sollte er auch gar nicht. Ich habe ihm befohlen, bei Eberhard zu bleiben, damit er nicht Gefahr läuft, dem König in die Hände zu fallen. Wir wollen Otto ja nicht die Überraschung verderben, nicht wahr?«
Der Kastellan lächelte grimmig. »Ich trau diesem Frankenherzog nicht, mein Prinz, das ist alles.«
»Und recht hast du.« Thankmar zog den ersten Stiefel an. »Eberhard von Franken ist hinterhältig und nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht, kein Zweifel. Aber er weiß genau, dass er zu tief mit in dieser Sache steckt, um jetzt noch zurückzukönnen.«
Die Eresburg lag an der fränkisch-sächsischen Grenze. Thankmar und Wichmann hatten hier Stellung bezogen und unter größtmöglichem Aufsehen das Umland verwüstet, um Otto herzulocken. Und Eberhard von Franken lag keine drei Meilen entfernt auf seiner Seite der Grenze auf der Lauer, um Otto in den Rücken zu fallen, wenn er kam.
Thankmar streifte auch den zweiten Stiefel über. Er wählte das bessere der beiden Obergewänder, die er dabei hatte, denn er hatte so ein Gefühl, als könne dieser Tag einer der wichtigsten in seinem Leben werden, und dafür wollte der Prinz angemessen gekleidet sein. Er legte die schwere Goldkette um, und gerade, als er das Schwertgehenk umschnallte, erklangen Hörner in der Ferne.
Thankmar verdrehte die Augen. »Otto war schon immer ein Frühaufsteher.«
»Jesus, erbarme dich.« Otto bekreuzigte sich. »Als wären die Ungarn hier gewesen.«
Er blickte sich um und machte aus seiner Erschütterung keinen Hehl. Das Dorf an der Diemel, das die Hörigen eines nahe gelegenen Benediktinerklosters bewohnt hatten, lag in Schutt und Asche. Von den einstmals strohgedeckten, einräumigen Katen waren nur noch verkohlte Trümmerhäuflein übrig, und – schlimmer noch – die Felder, auf denen
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