Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
Hardwin an Ottos Seite und wies nach links.
Vier Männer in Lederwämsen waren aus dem Dickicht gekommen. Sie trugen Bündel von Fischen, die sie an den Mäulern zusammengeschnürt hatten, und Angelruten. Kein Zweifel, sie waren beim Morgengrauen zum Fischen ans Ufer der Diemel gegangen und jetzt auf dem Rückweg zur Burg.
»Udo, bring sie mir«, sagte Otto.
Eine Abteilung von einem halben Dutzend Reitern setzte sich in Bewegung. Die Angler ließen ihren Fang fallen, machten kehrt und ergriffen die Flucht, aber zu Fuß hatten sie keine Chance. Udo und seine Männer kreisten sie mühelos ein und trieben sie zusammen. Zwei saßen ab, um ihnen die Hände zu binden, und kurz darauf standen sie vor ihrem König. Sie hielten die Köpfe gesenkt und wagten nicht einmal, verstohlene Blicke zu tauschen.
»Eure Namen«, sagte Otto.
»Chlodwig«, murmelte der Erste.
»Mich nennen sie Wolf, Herr.«
»Fridurich.«
Der Vierte zögerte am längsten. Dann sagte er: »Konrad von Minden, mein König.«
Otto sah ihn scharf an und entdeckte eine vage Ähnlichkeit. »Dein Vater ist Graf Manfried.«
Der Junge nickte.
»Und ist er auch dort drin?«, erkundigte sich Otto und wies zur Burg hinauf.
Konrad schüttelte den Kopf. »Ich bin ohne seine Erlaubnis gegangen, um mich Prinz Thankmar anzuschließen.«
»Bitter für deinen Vater. Ein ungehorsamer Sohn, der seine Torheit mit dem Leben bezahlt.«
Konrad von Minden und die drei anderen fielen vor ihm auf die Knie.
»Das könnt ihr euch sparen«, knurrte Otto. Angewidert wandte er ihnen den Rücken zu und dachte einen Moment nach. Dann sagte er zu den Nächststehenden: »Ich brauche ein halbes Dutzend Freiwillige, die mit mir vor das Tor der Eresburg ziehen.«
»Bei allem Respekt, mein König«, protestierte Hardwin entsetzt. »Ihr könnt nicht vors Tor ziehen. Sie werden euch einfach erschießen.«
Otto sah ihn an. »Ich kann. Und ich werde. Also?«
Udo und sein Vetter Hatto waren die Ersten, Hardwin der Nächste. Nach einer kleinen Pause traten gleichzeitig drei der älteren Panzerreiter vor.
Otto lächelte matt. »Dann kommt. Bringt die Gefangenen mit.«
Er saß wieder auf und schlug den schmalen Pfad ein, der sich schneckenhausartig um den steilen Hügel nach oben wand. Seine sechs Freiwilligen folgten ihm. Udo bildete die Nachhut und zerrte die gefesselten Gefangenen an einem Strick hinter sich her.
Im Schritt ritt Otto hügelan, warf gelegentlich einen Blick zu der Palisade hinauf und betete. Er trug Beinschienen, Kettenpanzer und Spangenhelm, genau wie seine Soldaten. Aber an der Kehle waren sie verwundbar – keine gar zu schwierige Aufgabe für einen Schützen, der so hoch über seinen Opfern stand. Die Frage war allein, ob Thankmar den Schussbefehl geben würde oder nicht. Und Otto wusste die Antwort nicht. Also betete er.
Doch alles blieb ruhig – geradezu gespenstisch still. Kein Pfeil kam sirrend über die Brustwehr geflogen, nichts rührte sich, und kein Laut war zu hören.
Unmittelbar vor dem Tor verbreiterte sich der Pfad zu einem staubigen, fast kreisrunden Platz. Der König saß ab, stellte sich in die Mitte, zog das Schwert und richtete den Blick auf die geschlossenen Torflügel. »Thankmar! Komm her und rede mit mir, Bruder !«
Nichts.
»Ich hoffe, du baust nicht darauf, dass Eberhard von Franken noch kommt«, fuhr Otto fort. »Denn das wird er nicht. Ich habe deinen Meldereiter erwischt.«
»Er war nicht der einzige«, kam Thankmars Stimme von oben. Genau über ihm, so schien es.
Langsam hob Otto den Kopf. Und da stand sein Bruder: Die Hände lässig auf zwei der angespitzten Pfähle gestützt, die Miene ausdruckslos. Eine schwache Bö wehte das dunkle Haar zurück von den massigen Schultern. Er hatte es nicht einmal für nötig befunden, Rüstung anzulegen.
»Rechne trotzdem nicht mit ihm«, riet Otto.
Thankmar nickte gleichgültig. »War es das, was du auf dem Herzen hattest?«
»Komm heraus. Lass es uns ein für alle Mal austragen. Du und ich. Die Wahl der Waffen überlasse ich dir.«
Sein Bruder lachte leise. »Ich wähle eine Lanze, mein König. Und ich werfe sie von hier oben. Das wäre doch mal ein erfrischend anderes Gottesurteil.«
Otto wartete ein paar Atemzüge, aber die Lanze kam nicht. Also drehte er sich kurz um, packte den ersten der Angler am Arm und schleuderte ihn vor dem Tor in den Staub. Lange bevor der Mann wieder auf die Füße kommen konnte, hatte der König die Klinge gehoben und ihm mit einem beidhändigen Hieb
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