Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
etwas überzeugen, woran ich selbst nicht glaube.«
»Aber auf dich würde er hören.«
Der Hevellerprinz schüttelte den Kopf. »Er wird auf niemanden mehr hören.«
»Versuch es, Tugomir. Ich bitte dich.«
Tugomir kämpfte dagegen an, sich erweichen zu lassen, aber es nützte nichts. Denn in Wahrheit hatte er von Anfang an gewusst, dass dies der Grund war, warum Otto ihn mitgenommen hatte. Der König hatte genügend Feldscher, um seine Verwundeten zusammenzuflicken, und ein paar von ihnen waren sogar brauchbar. Doch Otto hatte vorhergesehen, dass es zu einer Lage wie dieser kommen könnte. Und Tugomir war mit ihm geritten. Nicht klaglos, aber aus freien Stücken. Also wem wollte er eigentlich etwas vormachen, indem er sich jetzt auf einmal sträubte?
Er schnallte den Schwertgürtel ab und hielt ihn dem König hin. Otto nahm ihn mit einem Nicken, ein kleines, angespanntes Lächeln auf den Lippen. »Hab Dank.«
Ich tu es nicht für dich , dachte Tugomir, aber all das spielte jetzt keine Rolle mehr.
Entschlossener, als ihm zumute war, hinkte er zur Tür der Kapelle hinüber. »Thankmar. Ich bin es.«
Er musste lange auf eine Antwort warten, aber schließlich hörte er: »Komm rein.«
Tugomir trat über die Schwelle in das dämmrige Gotteshaus und wäre um ein Haar über die Füße des Soldaten gestolpert, der reglos mit dem Gesicht nach unten am Boden lag und dessen Blut in großen Mengen im festgestampften Lehmboden versickert war. Achtlos stieg Tugomir über ihn hinweg, und mit einem Mal fröstelte ihn. Nicht weil es hier im schattigen Halbdunkel deutlich kühler war als draußen in der Sommerhitze, sondern weil er genau das sah, was die Vila ihm gezeigt hatte: Ein Klecks Sonnenlicht fiel durch ein kleines Fenster in der Ostwand auf den Altar, und dort stand Thankmar, den Kopf gesenkt, und legte langsam sein Schwert ab. Das reich bestickte Tuch, das den Tisch seines Gottes bedeckte, war sogleich blutverschmiert, aber der Prinz schien es nicht zu bemerken. Dem Schwert folgte das lange Jagdmesser, das er in der Linken gehalten hatte. Dann hob er beide Hände – die Bewegungen immer noch bedächtig, schleppend gar – und nahm die Goldkette ab. Er ließ die schweren, satt glänzenden Glieder durch die Finger gleiten und legte die Kette, das Zeichen seiner prinzlichen Würde, auf dem Altar ab.
Schließlich wandte er sich um. »Ich bin froh, dass er dich geschickt hat.« Er hatte eine lange, klaffende Wunde am linken Unterarm, aus der ein stetiges Blutrinnsal lief. Achtlos zog der Prinz den Stoff des aufgeschlitzten Ärmels darüber. »Es hätte auch ganz anders ausgehen können, Tugomir«, sagte er trotzig. »Ich hätte nie im Leben geglaubt, dass Wichmann einknickt. Er war mindestens so wütend auf Otto wie ich.«
»Es war ja auch nicht Otto, vor dem er eingeknickt ist, sondern euer Gott«, erwiderte Tugomir.
»Der wieder einmal mit dem König war«, fügte Thankmar mit einem bitteren kleinen Lachen hinzu. Er verschränkte die Arme und sah Tugomir an. »Also? Was ist es, das mein Bruder mir in königlicher Güte anzubieten hat?«
»Dein Leben.«
Thankmar nickte. »Und nun sollst du mich davon überzeugen, sein Angebot anzunehmen?«
Tugomir kam noch einen Schritt näher und schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht Ottos Laufbursche.«
»Nein. Ich weiß.«
»Ich kann dir nicht raten. Du musst selbst entscheiden.«
»Zu dumm. Ich könnte einen Rat von einem klugen Kopf wie dir gerade gut gebrauchen.« Er schwieg einen Moment und dachte nach. Dann sagte er: »Es würde bedeuten, dass ich mich vor ihm erniedrigen muss. Wahrscheinlich erwartet er, dass ich ihm den Fuß küsse, so wie Wichmann.« Er zog die Schultern hoch, als habe er Mühe, ein Schaudern zu unterdrücken. »Er würde mich zwingen, jeden Anspruch auf das Erbe meiner Mutter aufzugeben. Das hier war meine einzige Chance, mir zu erkämpfen, was mir zusteht. Eine zweite werde ich nicht bekommen, Tugomir. Wenn ich weiterlebe, dann von Ottos Gnaden und zu seinen Bedingungen.«
»Ja«, stimmte Tugomir vorbehaltlos zu. »Und ich werde dir nicht weismachen, dass es immer besonders rosig ist, von Ottos Gnaden und zu seinen Bedingungen zu leben, denn ich weiß es besser. Andererseits: Wenn du weiterlebst, wirst du deine Tochter aufwachsen sehen.«
Thankmars Gesicht war gezeichnet von Niederlage und Erschöpfung, aber jetzt hellte ein Lächeln es auf. »Das ist wahr. Und ich gebe zu, die Vorstellung ist ziemlich verlockend …« Er ließ die
Weitere Kostenlose Bücher