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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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verschränkten Arme sinken und lehnte sich an den Altar. Mit einem Mal war ein Gutteil der Anspannung aus seinem Körper gewichen. »Und die Mutter meiner Tochter wiederzusehen ist ebenso verlockend. Sogar im Abendlicht hinter deinem Haus zu sitzen und zu viel von deinem Met zu trinken ist verlockend. Das Vertrackte ist nämlich: Ich lebe so gerne, Tugomir.«
    »Das ist mir nicht neu«, erwiderte sein Freund mit einem Lächeln. Thankmars Lebensfreude hatte manches Mal Licht in seine Düsternis gebracht. »Also, dann lebe. Beiß die Zähne zusammen und zahl den Preis, den dein Bruder verlangt. Vielleicht erfordert das mehr Mut, als dein Schwert wieder aufzunehmen und dich seiner ganzen Armee zum Kampf zu stellen, aber zum Glück bist du ja kein Feigling.«
    »Nein«, stimmte Thankmar zu. »Man kann mir mit Fug und Recht viele Abscheulichkeiten nachsagen. Und ich wette, das wird man. Aber Feigheit zählt wohl nicht dazu.«
    Er sah von Tugomir zur Kirchentür und rieb sich nervös mit der flachen Hand über die unrasierte Wange. Ein Schatten flirrte am Fenster vorbei und sperrte für einen Lidschlag die Sonne aus. Thankmar wandte den Kopf, doch der Schatten war wieder verschwunden.
    »Verdammt, Tugomir, ich bin genauso klug wie zu Anfang. Was zum Henker soll ich tun?«
    Wieder sperrte irgendetwas die Sonne aus, und das Innere der kleinen Kapelle verdunkelte sich.
    »Gib acht!«, rief Tugomir und machte einen Satz auf seinen Freund zu, um ihn zu Boden zu reißen, aber er war zu weit entfernt.
    Thankmar taumelte einen Schritt nach vorne, als hätte ihn ein unerwarteter Schlag von hinten getroffen. Dann brach er in die Knie und sah ungläubig an sich hinab. Eine blutverschmierte Lanzenspitze und ein guter Fuß Schaft ragten eine Handbreit unter dem Herzen aus seiner linken Brust.
    Tugomir war bei ihm, als er zur Seite sackte, fing ihn auf und schlang einen stützenden Arm um seine Schultern. Er warf einen Blick auf Thankmars Rücken. Es war eine kurze Wurflanze, die hinten etwa genauso weit herausragte wie vorne.
    Thankmar hob die Linke und umschloss unsicher den blutigen Schaft, als müsse er sich mittels seines Tastsinns vergewissern, dass seine Augen ihn nicht trogen. Er stieß ein leises Zischen aus, halb Stöhnen, halb Lachen. »Ich glaube … Ich glaube, jetzt kann ich aufhören … mit mir zu ringen.«
    Tugomir, der halb hinter ihm kniete und ihn aufrecht hielt, damit Thankmar nicht auf die Lanze fiel und sich zusätzliche Schmerzen zufügte, legte ihm die freie Hand auf die unverletzte Brust, sprachlos.
    Thankmar ließ den Kopf gegen Tugomirs Schulter sinken. »So eine verfluchte Scheiße, Tugomir …« Sein Atem fing an zu brodeln. Die verletzte Lunge füllte sich mit Blut. »Wird es wenigstens schnell gehen?«
    »Ja«, sagte sein Freund, obwohl man bei dieser Art Verletzung eigentlich keine Prognose abgeben konnte.
    »Ich wünschte, du hättest mir was zu trinken mitgebracht.«
    Tugomir nickte.
    Es war einen Moment still. Thankmars Brust hob und senkte sich sichtbar, und sein Atmen wurde mühsamer. »Verrat mir was, Tugomir. Jetzt, da ich das Geheimnis mit ins Grab nehmen werde, sag mir: Hast du Lothar und Walo kastriert und getötet?«
    Tugomir sah ungläubig auf ihn hinab. »Wie kommst du jetzt ausgerechnet auf diese alte Geschichte?«
    Thankmar kniff die Augen zu. »Weich mir nicht aus. Das ist unfair.« Blutbläschen bildeten sich in seinen Mundwinkeln. »Hast du’s getan?«
    »Ja.«
    »Aber das Mädchen in deinem Bett. Sie hat geschworen …«
    »Bertha war meine Komplizin. Nicht nur slawische Frauen haben Lothar und Walo gehasst, verstehst du.« Es war auch Bertha, die seinen Opfern die Metbecher mit dem Schierling gebracht hatte, um sie außer Gefecht zu setzen. Und es war ihre Idee gewesen, einen Drudenzauber vorzutäuschen und dann vorzugeben, er habe noch nie im Leben davon gehört. »Sie hatte bei der Sache einen kühleren Kopf als ich, ob du’s glaubst oder nicht.«
    »Aber die Kronjuwelen hast du ihnen abgeschnitten und in den Rachen gestopft.«
    »Hm. Aber sie waren schon tot.« Er hatte gewartet, bis der Schierling sie umgebracht hatte, ehe er sie so zurichtete. Eigentlich hatte er es vorher tun wollen. Sie sollten Entsetzen und Schmerz und Demütigung durchleben genau wie Mirnia und all die anderen. Doch als es so weit war, sah Tugomir sich außerstande.
    »Oh. Gut. All die Jahre hab ich gerätselt und mich manchmal ein wenig … vor dir gegruselt. Ich hab mir immer vorgenommen, die

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