Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
Nachricht sei für die Königin bestimmt, hörte ich ihn sagen.«
Otto hatte sich zwei Stunden Zeit genommen, um seinem Sohn und dessen neuen Freunden bei ihren Waffenübungen zuzuschauen, die wegen des abscheulichen Wetters in der Halle stattfanden.
»Gut gemacht, Wichmann«, befand der König, als der Neunjährige den gleichaltrigen Prinzen zum zweiten Mal in kurzer Folge entwaffnete. »Liudolf, ich schätze, du musst dich ein wenig schneller bewegen.«
Sein Sohn brummte missgelaunt, aber der König hatte beobachtet, dass Liudolf sich von Niederlagen nicht so leicht entmutigen ließ wie andere Jungen in seinem Alter. Er hatte großen Ehrgeiz beim Kampf, aber er fürchtete sich nicht vor überlegenen Gegnern, sondern nutzte sie als Chance, seine eigene Technik zu verbessern. Otto fand, das war eine gute Veranlagung für einen Prinzen.
»Senk den Schild ein wenig, Wichmann«, sagte Gerold, der Waffenmeister, der die Jungen unterrichtete und genauso konzentriert beobachtete wie der König. »Sonst nimmst du dir selbst die Sicht und machst unten deine Deckung zu weit auf.«
Der junge Wichmann lauschte aufmerksam, aber sein Nicken war eine Spur grimmig. Sein Stolz war ebenso ausgeprägt und leicht verletzbar wie der seines Vaters. Otto hatte Erzbischof Friedrichs Vorschlag bereitwillig zugestimmt, dem älteren Wichmann anzubieten, seine Söhne an den Hof zu nehmen und mit Liudolf zusammen erziehen zu lassen. Es war ein Friedensangebot und eine so hohe Ehre, dass nicht einmal Wichmann Billung unbeeindruckt davon bleiben konnte. Doch die Söhne waren nicht liebenswerter als der Vater, dachte der König insgeheim. Vielleicht tat Liudolfs Frohsinn ihnen indessen gut und taute sie ein wenig auf. Jedenfalls war es wichtig, dass die Jungen Bande für die Zukunft knüpften, da hatte der Erzbischof völlig recht. Und sollte Liudolf seinem Vater eines Tages auf den Königsthron folgen, wollte Otto, dass er über eine ausreichende Zahl zuverlässiger Freunde verfügte, zumal der Prinz keine Brüder hatte. Nicht, dass Brüder sich immer als besonders treu und zuverlässig erwiesen …
»Jetzt, Prinz«, rief Udo aufmunternd, der mit ein paar anderen dienstfreien Wachen auf der Bank saß und den beiden Knaben ebenfalls mit Interesse zuschaute. »Das wär der Moment gewesen. Wenn er das Gewicht auf dem falschen Fuß hat, kannst du seine Deckung durchbrechen und ihn abstechen.«
Otto warf ihm einen Blick zu.
»’tschuldigung«, knurrte der altgediente Haudegen, hob beschwichtigend die Hände und murmelte vor sich hin: »Wahr ist es trotzdem. Von diesen Streicheleinheiten mit dem Schwert lernen die Jungen gar nichts. Es muss wehtun, wenn sie einen Fehler machen.«
Jetzt hatte Liudolf die Oberhand. Schon mit einiger Kraft ließ er die Klinge auf Wichmanns Schild niederfahren, drängte seinen Widersacher zurück und gab ihm keine Möglichkeit zum Gegenschlag, und als Wichmann versuchte, seitlich auszuweichen, trat der Prinz ihm die Füße weg. Wichmann landete polternd auf dem eigenen Schild und blieb einen Moment liegen.
»Ich wette, das hat wehgetan«, bemerkte Hatto.
Liudolf senkte sein Holzschwert und reichte Wichmann die Hand.
Otto ließ den Bengel am Boden nicht aus den Augen. Für die Dauer eines Herzschlags verfinsterte sich der Blick der dunklen Augen, aber dann nahm Wichmann sich zusammen. Er richtete sich auf und ergriff die dargebotene Hand. »Nicht übel, mein Prinz«, gratulierte er eine Spur unwillig, zögerte noch einen Moment und klopfte Liudolf dann die Schulter.
»Egbert, du bist an der Reihe«, beschied der Waffenmeister und winkte Wichmanns ein Jahr jüngeren Bruder heran. Hätte Otto je vergessen können, dass diese beiden Knaben seine Vettern waren, Egberts Anblick hätte ihn sogleich daran erinnert. Mit seinem weizenblonden Schopf und den großen braunen Augen schlug Egbert seiner Mutter nach, Königin Mathildis’ Schwester.
Während er die hölzerne Klinge mit Liudolfs kreuzte, winkte Otto den älteren der Brüder zu sich.
Wichmann verneigte sich ehrerbietig. »Mein König?«
»Du bist stark und schon ziemlich findig, Junge«, sagte Otto. »Wer hat dich bisher unterrichtet?«
»Meines Vaters Waffenmeister.«
»Wie ist sein Name?«
»Arnulf. Ich meine, das war sein Name. Er …«
»Ja?«
Wichmann senkte den Blick. »Er fiel … auf der Eresburg.«
»Verstehe.« Was er in diesem Moment vor allem verstand, war, dass der Junge ihm nicht einsilbig und mürrisch begegnete, weil das seiner
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