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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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trinkt drei Becher am Tag davon, und in einer Woche sind Eure Augen klar und schmerzen nicht mehr.«
    »Aber Totenkraut ist giftig«, protestierte Waldered.
    Tugomir nickte. »Drei Becher«, widerholte er. »Keinesfalls vier. Vertraut mir und werdet gesund, Bruder Waldered, oder seid wie Gero und erblindet. Mir ist es gleich.«
    »Wessex«, widerholte Otto. Er sagte es langsam, so als wolle er den Namen auf seiner Zunge erproben. Dann fragte er seinen Vater: »Warum Wessex?«
    »Warum nicht?«, konterte die Königin. Es klang sonderbar, schneidend und nervös zugleich. »Du wirst heiraten, wen auch immer dein Vater aussucht, und seinen Entschluss nicht infrage stellen. Und wer es ganz gewiss nicht sein wird, ist deine durchtriebene slawische Hure .«
    Otto nickte bereitwillig. »Natürlich werde ich eine der beiden Prinzessinnen aus Wessex heiraten, wenn es uns nützt, und es war nie meine Absicht, Dragomira zur Frau zu nehmen. Trotzdem wäre ich dankbar, wenn Ihr sie nicht meine Hure nennen würdet, Mutter, denn das ist sie nicht.« Er sagte es mit einem Lächeln – um den Worten die Schärfe zu nehmen, mutmaßte Thankmar. Otto vermied es nach Möglichkeit, seine Mutter gegen sich aufzubringen. Oder irgend wen gegen sich aufzubringen. Otto war so friedfertig, dass einem manchmal ganz schlecht davon werden konnte.
    Aber die Miene der Königin verfinsterte sich trotzdem. Mathildis war eine gutaussehende Frau Mitte dreißig, der man ihre fünf Schwangerschaften nicht ansah. Das blonde Haar war fast vollständig von dem Schleier bedeckt, den ein schmaler Goldreif hielt. Das weit fallende grüne Überkleid war schlicht, aber elegant geschnitten und aus edelstem Tuch, Halsausschnitt und die Säume der halblangen Ärmel mit einer bestickten dunkelbraunen Bordüre abgesetzt, die hervorragend zu ihren Augen passte. Mathildis war eine kluge Königin aus altem sächsischen Adel, nach beinah zwanzig Jahren an Heinrichs Seite gewandt im Umgang mit den Großen der Welt und der Kirche, und das Volk liebte sie ob ihrer Freigiebigkeit. Ottos beiden Brüdern und Schwestern – allesamt jünger als er – war sie eine fürsorgliche, manchmal sogar warmherzige Mutter. Sogar zu Thankmar war sie meistens nett gewesen, nachdem seine Mutter zurück ins Kloster gesteckt worden war, um Platz für Mathildis zu machen. Kaum vier Jahre alt war er damals gewesen, und er erinnerte sich nicht, ob das Verschwinden seiner Mutter ihn bekümmert hatte. Auf jeden Fall war die Königin ihm eine brauchbare Stiefmutter gewesen. Nur ihren eigenen Erstgeborenen konnte sie nicht ausstehen. Seit Otto erwachsen war, erweckte er glaubhaft den Anschein, das sei ihm gleich, aber Thankmar wusste es besser. Und er hätte zu gerne gewusst, was genau es war, das die Königin ihrem Ältesten so sehr verübelte, aber er kam einfach nicht dahinter.
    »Können wir vielleicht zurück zur Sache kommen?«, brummte König Heinrich. Er stand an dem hölzernen Vogelkäfig, der rechts der Tafel an einer Kette von der Decke hing, und fütterte seine Lieblinge mit kleinen Brotstückchen. Derzeit nannte er ein Rotkehlchen, zwei Singdrosseln, eine Goldammer und einen Buchfink sein Eigen. Für Thankmars Geschmack machten sie bei Weitem zu viel Radau – von Dreck ganz zu schweigen –, aber der König war ganz vernarrt in seine Vögel. Er fing sie immer selbst. Dabei könne er am besten nachdenken, behauptete er gern.
    »Was ist denn dieses komische Wessex überhaupt?«, wollte Hadwig wissen. Sie war sieben und ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Seit ihre große Schwester Gerberga im vergangenen Jahr den Herzog von Lothringen geheiratet hatte, wartete Hadwig ungeduldig darauf, dass sie endlich alt genug wurde und ihr Vater auch für sie einen geeigneten Mann fand, damit sie gleichziehen konnte. Aber Thankmar war froh, dass es noch ein wenig dauern würde, denn von seinen Halbgeschwistern liebte er Hadwig am meisten. Oder möglicherweise auch als Einzige, er war nicht ganz sicher.
    »Ein Königreich in England!«, antwortete der zehnjährige Heinrich, den alle Henning nannten, um ihn von seinem Vater zu unterscheiden – unverkennbar stolz auf sein Wissen.
    »England?«, widerholte das kleine Mädchen verständnislos.
    »Es ist ein Inselreich im nördlichen Meer«, erklärte Thankmar ihr. »Wessex ist das mächtigste Königreich dort, und das Königshaus ist sächsischen Ursprungs, steht uns also nahe.« Und an den König gewandt, fügte er hinzu: »Aber ich

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