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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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fertig mit ihm war, doch ehe der wieder zuschlagen konnte, sagte eine Stimme von rechts: »Dies ist das Haus Gottes, Gero, das solltet Ihr nicht vergessen.«
    Es war eine angenehme, junge Stimme, die nicht drohte, sondern nur eine Tatsache feststellte. Dennoch ließ Gero so plötzlich von seinem Opfer ab, als habe er sich die Finger an Tugomirs Gewand verbrannt.
    Der slawische Fürstensohn richtete sich langsam auf. Er sah einen Tempeldiener von der Sorte vor sich, die man hier »Mönch« nannte. Tugomir hatte noch nicht genau durchschaut, was das bedeutete, aber die meisten lebten offenbar in Bruderschaften zusammen, sie schoren sich eine kleine runde Glatze auf die Köpfe und trugen schlichte, schwarze Gewänder, keine kostbaren und farbenprächtigen wie der Hohepriester, der hier Bischof hieß. In der Königspfalz zu Magdeburg gab es ein solches Mönchshaus indessen nicht, also musste dieser hier ein Versprengter sein.
    »Ich bin Bruder Waldered«, stellte der Geschorene sich vor. »Ihr müsst Prinz Tugomir sein. Seid willkommen.«
    Gero stieß angewidert die Luft durch die Nase aus. »Also ehrlich, Bruder. Ich finde, man kann es mit der christlichen Barmherzigkeit auch übertreiben«, knurrte er.
    »Ich wüsste nicht, wie. Aber mir ist nicht entgangen, dass Ihr diese Auffassung vertretet«, erwiderte der Mönch mit einem unverbindlichen Lächeln. »Seid Ihr gekommen, um zu beten?«
    Gero schüttelte den Kopf. »Der König bat mich, Bischof Bernhard zu ihm zu bringen, und ich dachte, den finde ich möglicherweise hier. Aber wie es aussieht, habe ich mich getäuscht.«
    »Der ehrwürdige Bischof hat den Kanzler aufgesucht, wenn ich mich nicht täusche.«
    Gero wandte sich ohne Dank ab und schlenderte zur nahen Tür in der Nordwand des kleinen Gotteshauses. Über die Schulter raunte er Tugomir zu: »Wir seh’n uns später.«
    Tugomir nickte. Er schaute ihm nach, bis Gero hinausgetreten war. Dann musterte er den Mönch, der nicht älter zu sein schien als Gero und der den erzürnten Grafensohn doch mit nichts als ein paar höflichen Worten zur Räson gebracht hatte. »Auch hier haben die Menschen offenbar Hochachtung vor ihren Priestern«, bemerkte er.
    Waldered schüttelte den Kopf. »Das bin ich nicht. Nur ein einfacher Mönch.«
    »Das ist ein Unterschied?«
    »Allerdings«, antwortete der Sachse und musterte ihn mit unverhohlener Neugier. Gero hatte die Tür offen gelassen, und Licht strömte herein, darum erkannte Tugomir, dass die hellblauen Augen seines Gegenübers entzündet waren. Das linke hatte gar geblutet.
    Waldered wies auf Tugomirs Hände. »Stimmt es, dass diese blauen Punktlinien Zeichen des Priesterstandes bei euch sind?«
    Tugomir nickte.
    »Was bedeuten sie?«
    Er antwortete nicht sofort.
    Waldered kam einen Schritt näher, ein etwas unsicheres Lächeln auf den Lippen. »Dürft Ihr es mir nicht sagen? Ist es ein Geheimnis, das nur Priester teilen?«
    Tugomir schüttelte den Kopf. »Wer kundig ist, kann an den Linien erkennen, welchen Weg der Erkenntnis ein Priester gewählt hat, welchen Göttern er dient und Ähnliches mehr.«
    Der Mönch nickte emsig. »Wie werden sie gemacht? Die Linien, meine ich.«
    »Aus dem Saft bestimmter Beeren, der nach einem genauen Rezept zubereitet werden muss.«
    »Was denn, sie sind einfach aufgemalt? Aber ich habe gehört, sie gehen niemals wieder ab.«
    Tugomir klärte ihn auf: »Man tunkt eine feine Beinnadel in den Beerensaft und sticht die Haut damit ein.«
    Bruder Waldered schnitt eine Grimasse. »Das muss grässlich wehtun.«
    Tugomir überraschte sich selbst, als er den Mönch anlächelte. »Ein Leben im Dienst der Götter ist nichts für Feiglinge, Bruder Waldered.«
    »Ja, das könnt Ihr laut sagen«, gab der Mönch zurück, und fast schien es, als unterdrückte er ein Seufzen.
    Diese Sache wurde Tugomir zu heikel. Er wollte nicht, dass ein Sachse freundlich zu ihm war. Den Hass und die Grausamkeiten von Männern wie Gero oder Udo oder all den anderen hier konnte er aushalten und verstehen und in sich aufsaugen, so wie ein getrockneter Brotfladen sich mit Suppe vollsog, um sie ihnen eines Tages heimzuzahlen, falls er dazu je Gelegenheit bekam. Aber dieser Bruder Waldered brachte sein Bild von der Ordnung der Dinge durcheinander, und das gefiel ihm nicht. Mit einem Nicken wandte er sich ab und dankte dem Mönch auf die einzige Weise, die ihm einfiel: »Ihr braucht Totenkraut.«
    »Was?«, fragte Waldered verdattert.
    »Kocht einen Sud von den Blättern,

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