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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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anfielen: Mit einer Falle hatte er einen Hasen gefangen, Feuer gemacht und das Tier gehäutet, ausgenommen und gebraten. Genau wie Henning war auch Wiprecht eigentlich zu vornehm für dergleichen, aber anders als der Prinz hatte er es immer vorgezogen, notfalls ohne Dienerschaft auskommen zu können. Henning hatte noch nie im Leben ein Feuer gemacht und war hoffnungslos mit Flint und Stahl. Darum hatten sie kein Feuer mehr, seit Wiprecht fantasierte und zu schwach war, um auch nur einen Kiesel aufzuheben. Henning hatte sich einen fürchterlichen Schnupfen geholt. Wer weiß, dachte er mit einem vorwurfsvollen Blick auf Wiprecht, wenn ich das Lungenfieber kriege, krepier ich vielleicht eher als du Jammerlappen …
    Aber Wiprecht nahm seinen finsteren Blick nicht wahr. Er nahm so gut wie nichts mehr wahr. Zitternd lag er auf seiner durchnässten Wolldecke auf der Seite, den Mantel unordentlich um sich geschlungen, und stöhnte.
    Zaghaft rüttelte Henning ihn am unverletzten Arm.
    Wiprecht wimmerte.
    »Wir können hier nicht bleiben«, beschwor Henning ihn. »Es kann noch nicht lange nach Mittag sein, uns bleiben noch vier oder fünf Stunden Licht.«
    »Geht allein«, keuchte der Kranke. »Lasst mich hier liegen, es wird jetzt nicht mehr lange dauern. Also geht und lasst mich endlich in Ruhe …«
    Gekränkt zog Henning seine Hand zurück. Hatte Wiprecht das wirklich gesagt? Vielleicht nicht. Er nuschelte, da konnte man sich leicht verhören.
    Ratlos und beklommen schaute Henning sich um. Sie befanden sich schon wieder am Ufer eines Baches, dessen klares, eiskaltes Wasser geräuschvoll durch sein steiniges Bett rauschte. Der Wald bestand hauptsächlich aus Eichen, die noch viel Laub hatten, und das Prachtexemplar, unter dem sie Halt gemacht hatten, bot ein wenig Schutz vor dem Regen. Trotzdem war die von Moos und Farn bedeckte Erde nass. Alles war nass: Der Baumstamm, die Äste und Zweige, der Boden, der verfluchte Bach, die Gäule, ihre ganze Ausrüstung, Wiprecht und nicht zuletzt er selbst. Keine trockene Faser hatte er mehr am Leib, und bei der Vorstellung, den Rest des Tages und die ganze Nacht an diesem trostlosen Ort verbringen zu müssen, wurde dem Prinzen ganz elend zumute.
    »Ich versuche noch mal, Feuer zu machen«, sagte er entschlossener, als er sich fühlte.
    Wiprecht gab einen matten Brummlaut von sich. Der verletzte Arm hatte sich aus dem Mantel geschlängelt und lag im Farn. Nasse braune Eichenblätter klebten an dem Verband, unter dessen Rand zwei sonderbare rote Streifen hervorkamen und Richtung Ellbogen zu wandern schienen.
    Hastig wandte Henning den Blick ab und kramte den Feuerstein aus Wiprechts Beutel. Es konnte doch nicht so schwierig sein. Ungezählte Male hatte er zugeschaut. Man brauchte Zunder oder trockenes Stroh dazu, aber notfalls ging es doch gewiss auch mit Eichenblättern.
    Henning sammelte ein bisschen totes Holz und fand eine gute Handvoll Blätter im Farn, die nicht so nass schienen wie der Rest. Eins der Blätter legte er auf den flachen Feuerstein, zog sein Schwert und strich zügig, aber nicht zu schnell mit der Klinge über die schmale Kante des Flints, wo er das Eichenblatt möglichst bündig angelegt hatte. Beim dritten Versuch schlug er einen Funken, und ein winziger Rauchkringel stieg von seinem Eichenblatt auf, doch als er behutsam darüberblies, war der Funke schon wieder erloschen. Er versuchte es nochmals, fünf- oder sogar zehnmal, und dann schleuderte er den Feuerstein mit einem Wutschrei ins Farn. »Du verfluchter Hurensohn, Wiprecht! Ich will hier nicht mit dir in der Ödnis sterben!« Seine Stimme überschlug sich.
    Als er auf den jungen Grafen hinabblickte, war er beinah erschrocken zu sehen, dass der seinen Blick erwiderte, klarer als seit Tagen. »Dann tu’s nicht«, flüsterte Wiprecht. »Verschwinde endlich.«
    Aber Henning schüttelte trotzig den Kopf. »Das kann ich nicht. Die Füchse und Wildschweine und Krähen würden sich an dir gütlich tun, ehe du tot bist.« Er hatte keine Ahnung, ob das wirklich stimmte. Und selbst wenn, die Tatsache als solche hätte ihm nicht den Schlaf geraubt. Aber die Gewissheit, dass die Bilder, obwohl doch nur seiner Vorstellung entsprungen, ihn für den Rest seiner Tage verfolgen würden, schreckte ihn ab. Es gab schon genug, was ihn verfolgte …
    »Dann sorg dafür, dass sie mich nicht kriegen«, murmelte Wiprecht. Sein Blick wanderte kurz zu dem kostbaren Schwert in Hennings Hand. »Komm schon. Belohne mich für meine

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