Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
mit dem Ärmel über die Stirn und trank noch einen Schluck.
    »Oh ja, ich weiß«, räumte sein Onkel ein. »Und ich denke genau wie du, dass wir den Frieden mit Ratibor nicht leichtfertig aufs Spiel setzen sollten. Aber Dobras Bruder wurde als Junge von Ratibors Vater verschleppt, und jetzt liegt sie mir mit der Sache in den Ohren, verstehst du.«
    Tugomir nickte. »Ich werde darüber nachdenken«, versprach er.
    Slawomir stützte die Ellbogen auf den Tisch und lehnte sich ein wenig vor. »Ich hatte gehofft … Na ja, ich dachte, heute Abend im Tempel wäre eine gute Gelegenheit, um anzukündigen, dass du Verhandlungen mit Ratibor aufnehmen wirst.«
    Tugomir runzelte die Stirn. »Warum die Eile? Was sind ein paar Wochen, wenn dein Schwager schon sein halbes Leben bei ihnen ausharren musste?«
    »Ich weiß«, Slawomir hob begütigend beide Hände. »Aber es gibt so viele, denen du eine große Freude damit machen würdest, und …«
    »Ich werde auf keinen Fall falsche Hoffnungen wecken«, unterbrach Tugomir ihn, dem es überhaupt nicht gefiel, dass sein Onkel ihm mit einem Mal die Hand führen wollte, so wie die Priester es seit jeher so gern mit ihren Fürsten taten.
    »Aber, Tugomir, du musst verstehen, welch eine schmerzhafte, offene Wunde das für viele ist. Wie soll der Frieden von Bestand sein, wenn sie nicht heilt?«
    »Ich habe ja nicht gesagt, dass ich mich der Angelegenheit nicht annehmen will. Aber ich werde es dann tun, wenn ich den richtigen Zeitpunkt für gekommen halte, nicht eher. Und nun musst du mich entschuldigen.« Er stand auf. »Wir sehen uns im Tempel. Hab Dank für den Met.«
    Er kam zwei Schritte weit, ehe seine Knie ohne jede Vorwarnung einknickten. Von einem Lidschlag zum nächsten war jegliches Gefühl aus seinen Beinen gewichen. Tugomir schlug hart auf den sandbestreuten Boden auf. »Was bei allen Göttern …«, murmelte er. Es klang verwischt, so als wäre er betrunken.
    »Rate.« Die Stimme seines Onkels, der plötzlich mit verschränkten Armen über ihm stand, schien aus weiter Ferne zu kommen. »Ich bin sicher, es fällt dir ein, wenn du dir ein wenig Mühe gibst. Schließlich bist du doch ein unübertroffener Heiler, oder?«
    Und er täuschte sich nicht. Tugomir brauchte nur einen Moment, dann wusste er es. »Schierling …«
    Slawomir nickte mit einem Lächeln, das ebenso anerkennend wie höhnisch war. »Na bitte.«
    Tugomir kannte die Symptome: Taubheit in Armen und Beinen. Übelkeit, Muskelkrämpfe und Schluckbeschwerden würden als Nächstes kommen. Dann Atemnot. Und wenn das Gift sein Herz erreichte, war es vorbei. Nicht ohne ein gewisses Maß an wissenschaftlicher Neugier hatte er damals beobachtet, wie der Schierling bei Lothar und Walo wirkte. Und nun erlebte er, wie es sich angefühlt hatte …
    Er hatte noch ein wenig Gefühl in den Armen. Mühsam stemmte er sich in eine sitzende Haltung und lehnte den Rücken an die Bank, auf der er eben noch gesessen hatte. Dann sah er zu Slawomir hoch. »Warum?«
    »Warum …«, wiederholte sein Onkel und schnaubte. »Schon die Frage enthält die Antwort, Tugomir. Du willst wissen, warum ?« Von einem Herzschlag zum nächsten war Slawomir wütend und trat ihn in die Rippen. »Ist dir nie der Gedanke gekommen, dass ich vielleicht ein besserer Fürst wäre als du?«, zischte er.
    Tugomir war zur Seite gefallen. Er wollte sich wieder aufrichten, aber jetzt versagten auch seine Arme den Dienst. »Nein«, gestand er. »Ich hatte keine Ahnung, dass du den Thron wolltest. Ich habe dich immer für … klüger gehalten.« Sand klebte an seinen Lippen. Aber er konnte nichts tun, um ihn abzuwischen.
    »Du warst nicht der Einzige«, sagte Slawomir. »Als dein Vater, dieser jämmerliche Schlappschwanz, sich das Leben nahm, hätte es meine Stunde sein sollen. Aber niemand ist auch nur auf die Idee gekommen, mich zu fragen. Ehe Vaclavics Asche kalt war, war Dragomir Fürst.«
    »Weil die Erbfolge es so vorschreibt«, brachte Tugomir nicht ohne Mühe hervor. In seinem Mund war zu viel Speichel, aber er konnte nicht schlucken. Obendrein war ihm speiübel, aber er konnte nicht würgen. Eine Körperfunktion nach der anderen versagte den Dienst. Nie zuvor hatte er etwas so Unheimliches erlebt. Es war grauenhaft. Wieder musste er an Lothar und Walo denken. Auch das war zur Tagundnachtgleiche passiert, erinnerte er sich. Und sie hatten verdient, was sie bekommen hatten. In seinem Fall war Tugomir nicht ganz sicher …
    »Ah ja. Die Erbfolge«,

Weitere Kostenlose Bücher