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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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höher werden! Na los, Vaclavic, du machst das doch nicht zum ersten Mal …«
    Tugomir wandte den Blick ab und nahm den Arm seiner Frau. »Lass uns ein Stück in den Wald reiten«, schlug er vor. »Vielleicht finden wir schon Weißdornblüten, das Frühjahr war so warm …«
    Alveradis blieb stehen und sah ihn kopfschüttelnd an. »Was genau ist es, das dich an diesem Fest so rastlos macht?«, fragte sie.
    »Glaub mir, das willst du nicht wissen«, gab er trocken zurück. »Und wer behauptet, ich sei rastlos? Mein Vorrat an Weißdorn ist erschöpft, und ich habe hier drei Greise und ein altes Mütterchen mit schwachen Herzen, die ihn dringend brauchen, um es wenigstens noch bis zum Herbst zu schaffen. Wer will schon im Frühling sterben?«
    » Ich behaupte, du bist rastlos«, beharrte sie. »Dabei zünden sie doch nur ein harmloses Feuer an, um den Winter zu verjagen, oder?«
    »Richtig.« Im Tempel des Kriegsgottes kreiste die gesamte Zeremonie des Frühlingsfestes um den Sieg über den Winter. Sie war ausgelassen und harmlos, und niemand wurde in diesem Feuer verbrannt. Dies war nicht die Hinrichtung seiner Mutter, schärfte er sich ein. Und trotzdem drängte es ihn zur Flucht …
    Alveradis strich ihm über den Arm und drückte einen Kuss auf seine Schläfe. »Geh. Reite in den Wald und such deinen Weißdorn, ich bin sicher, davon wird dir besser. Aber ich bleibe lieber hier. Unser Palcik bekommt einen Zahn.«
    »Ich schätze, er wird’s überleben«, brummte Tugomir, wie immer eifersüchtig, wenn sie ihrem Sohn den Vorzug vor ihm gab.
    »Bestimmt.« Ihr Lächeln war ebenso wissend wie unerbittlich. »Aber ich will ihn nicht länger als nötig bei Rada lassen.«
    Tugomir machte Semela ausfindig, der sich bereitfand, ihn auf seinen Ausritt in den Wald zu begleiten – vorausgesetzt, dass ihm nicht wieder stundenlanges Stillschweigen auferlegt würde.
    »Sei unbesorgt«, erwiderte Tugomir. »Ich denke nicht, dass Weißdorn so leicht die Flucht vor menschlichen Stimmen ergreift wie ein Hirsch.«
    Kaum hatten sie die Havel überquert, fing es an zu nieseln. Die Bäume schlugen gerade erst aus, und das zarte, frühlingshelle Laub bot noch keinen Schutz vor dem Regen, der jedoch lustlos blieb und nachließ, als die Reiter nach gut zwei Stunden aus dem Wald ans Ostufer des langgezogenen Beetzsees kamen.
    »Reite nicht zu nah ans Wasser«, warnte Semela. »Es ist ein zu schöner Tag, um einen Besuch deiner Vila zu riskieren.«
    »Wenn sie mich aufsuchen will, findet sie mich auch.«
    »Ja, ich weiß.« Semela sah auf den See hinaus. Der böige Aprilwind malte bizarre Muster auf die Oberfläche, hier und da dümpelten Enten in der Nähe des schilfbewachsenen Ufers, und das Wasser spiegelte die stahlgraue Farbe des Himmels wider. »Es erinnert mich an unseren heiligen See. Der Zlomizi ist kleiner, aber trotzdem.«
    »Zieht es dich manchmal zurück in deine Heimat?«, wollte Tugomir wissen.
    »Nein.« Semela wandte den Kopf und sah ihm ins Gesicht. »Sie ist verloren, Fürst. Ein für alle Mal. Ich träume hin und wieder von meinem Vater und meiner Schwester, von der Jahnaburg und dem heiligen See, und wenn ich dann aufwache und mir einfällt, wo ich bin … Dann klafft manchmal ein Loch in meiner Seele. Aber ich habe keinen Grund, mich zu beklagen. Dieses Leben hier ist besser als alles, was ich auf der Jahnaburg je hätte erhoffen können.«
    »Wieso glaubt du das?«, fragte Tugomir neugierig. »Du wärst ein fahrender Händler geworden wie dein Vater, hättest den Sachsen Fisch und Pelze verkauft, und pfiffig, wie du bist, wärst du vermutlich wohlhabend und ein angesehener Mann geworden.«
    »Hm«, machte Semela zustimmend. »Aber das Licht des wahren Glaubens hätte ich sicher nicht gefunden. Und Rada hätte vielleicht einen anderen geheiratet. Und alles, was du mir beigebracht hast …« Er klopfte auf den Sack voller Weißdornblüten, der vom Knauf seines hölzernen Sattels baumelte. »Nichts davon wäre mir je begegnet. Es war schrecklich, als Gero und Udo die Daleminzer abgeschlachtet haben. Es war … der schrecklichste Tag in meinem Leben. Aber wenn ich ehrlich bin, muss ich einräumen, dass es ebenso mein Glückstag war. Das ist es wohl, was Bischof Widukind meint, wenn er sagt, die Wege des Herrn seien unergründlich.«
    »Das sind sie ganz gewiss.«
    »Und was ist mit dir? Stellst du dir manchmal vor, wie dein Leben geworden wäre, wenn Otto und sein Vater sich damals vergeblich die Schädel an den

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