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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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wischte sich wütend mit dem Ärmel übers Gesicht. »Sie alle haben heute Abend einen Becher heißen Met von meiner Frau bekommen. Du kennst ja mein Spezialrezept. Und wer von ihnen morgen noch lebt und lästige Fragen stellt, bekommt eine Klinge zwischen die Rippen, verstehst du? Unter meiner Herrschaft werden Daleminzer hier nicht so willkommen sein wie unter deiner.«
    Tuglo sah zum Himmel empor, und obwohl der immer noch wolkenverhangen war und selbst der mächtige Triglav-Priester keine Sterne sehen konnte, sagte er: »Bald Mitternacht. Der Gott will sein Opfer.«
    Er trat zu seinen tanzenden und singenden Gefährten und murmelte ein paar Anweisungen. Der Ring löste sich auf und gab den Blick frei auf das, was er zuvor verborgen hatte: Keine zehn Schritte von Tugomir entfernt erhob sich vor dem Triglav-Standbild ein länglicher Quader, der etwa die Größe eines Tisches hatte. Er sah aus wie ein Altar, und in gewisser Weise war er das auch: ein Opferaltar. Ein Bett aus Feuer. Denn während der Tagundnachtgleiche wurde auch im Triglav-Tempel ein Feuer entzündet, aber hier ging es nicht darum, den Winter zu verjagen. Die Triglav-Priester beteten zu ihrem Gott um Fruchtbarkeit. Für ihr Volk, ihre Äcker, ihr Vieh und die Tiere des Waldes. Fruchtbarkeit bedeutete Leben, doch Leben spendete Triglav nur dann, wenn ihm Leben geopfert wurde.
    Tugomir kniff einen Moment die Augen zu. Er hatte geahnt, dass dieser Tag kommen würde, seit seine Vila ihm an dem kleinen Waldsee erschienen war. Aber jetzt, da es so weit war, wusste er nicht, wie er es ertragen sollte.
    Drei Gestalten traten aus dem Schatten der Eichen des heiligen Hains in den hellen Fackelkreis. Alveradis ging in der Mitte. Sie hielt Palcik, der sich in ihren Armen wand und erbarmungswürdig vor sich hin jammerte, so wie er es immer tat, wenn er zahnte. Zwei Männer flankierten Mutter und Kind. Der eine war ein junger sächsischer Soldat aus Geros Gefolge, und der andere war Asik.
    Tugomir sah ihn kurz an, doch Asik brachte es nicht fertig, seinen Blick zu erwidern. Er hielt den Kopf gesenkt, die rechte Hand um Alveradis’ Oberarm geklammert.
    Tugomir schaute zu seiner Frau und seinem Sohn.
    Alveradis’ Augen waren riesig. Im Fackelschein wirkte ihr Gesicht wächsern und starr. Sie schüttelte den Kopf und öffnete die Lippen, um ihm irgendetwas zu sagen, aber kein Ton kam heraus.
    Asik und der sächsische Soldat führten sie zu dem Scheiterhaufen und zwangen sie, sich auf die Strohschicht zu setzen, die die obere Fläche bedeckte. Dann traten vier der Priester hinzu, packten Alveradis an Armen und Beinen, streckten sie auf dem Rücken aus und fesselten sie an die vier Eckpfosten ihres schaurigen Lagers.
    »Tugomir!« Es war ein Schrei der Angst und Verzweiflung, und Tugomir hatte das Gefühl, als bohre sich ein Eiszapfen in sein Herz.
    Einer der Priester hatte ein Stück Seil übrig, mit dem er Palcik auf den Oberkörper seiner Mutter band.
    Tuglo streckte die Hände über den gefesselten Opfern aus und legte den Kopf in den Nacken. »Siehe das Opfer, welches wir dir darbringen, Triglav, größter aller Götter! Erweise uns Gnade, nimm unser Opfer an und schenke uns Fruchtbarkeit!«
    Der Hohepriester trat ein paar Schritte zurück und nickte seinen Untergebenen zu. Zwei von ihnen zogen Fackeln aus der Erde.
    »Lasst sie brennen«, befahl Tuglo.
    Die Priester traten mit erhobenen Fackeln vor.
    Tugomir zerrte an seinen Fesseln und kämpfte mit aller Macht darum, sich zu befreien. Die Lederriemen schnitten in seine Handgelenke, aber sie gaben nicht nach.
    Der erste Priester stieß die Fackel in den Scheiterhaufen.
    Tugomir rammte den Hinterkopf gegen den Pfahl, dreimal, viermal, um sich den Schädel einzuschlagen oder den Pfahl umzustoßen – ihm war egal, was von beidem –, aber auch das wollte nicht gelingen. Tu irgendetwas, Gott, betete er . Lass nicht sie dafür bezahlen, dass ich meinen Neffen getötet habe, ich flehe dich an . Und als ihm einfiel, dass Gott von den Seinen Demut forderte, wandte er den Kopf und flehte statt Gott Gero an: »Lass das nicht zu. Irgendwo in dir muss ein Funke Barmherzigkeit für deine Tochter stecken, komm schon. Schneid ihnen wenigstens die Kehle durch …«
    »Er hat recht, Vetter«, murmelte Asik mit belegter Stimme. »Sonst sind wir die Barbaren.«
    Geros Blick war unverwandt auf den Scheiterhaufen gerichtet, Tugomir konnte nur sein Profil sehen. Die Wangenmuskeln hatten sich angespannt, und ein Äderchen pochte

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