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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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stecken und einen Belagerungsring um die Pfalz ziehen, ehe die Wachen oben auf dem Wehrgang sich auch nur die Helme übergestülpt hatten …
    Hinter dem Marktplatz führte die Straße nach rechts, und die beiden Reiter gelangten zurück zum Ufer des Flusses. Ein langgezogener Werder zerteilte die Elbe hier in zwei schmalere Ströme.
    Tugomir wies zu der Insel hinüber. »Warum habt ihr eure Pfalz nicht dort gebaut? Ihr wäret von allen Seiten vom Wasser geschützt.«
    »Hm«, machte Thankmar trocken. »Uneinnehmbar wie die Brandenburg, meinst du, ja?«
    Tugomir hob die Schultern. »Wäre die Havel nicht zugefroren, hättet ihr die Brandenburg niemals eingenommen.«
    »Aber es kommt eben vor, dass Flüsse im Winter zufrieren, und dann sitzt man auf seiner Burg in der Falle. Wobei ich zugebe, dass die Pfalz hier überhaupt keinen Schutz bietet. Dein kleiner Neffe könnte sie mit einem Spielzeugbogen einnehmen. Ich habe schon oft versucht, mit dem König darüber zu reden, aber …«
    »Aber was?«
    »Mir fiel gerade ein, dass es unklug sein könnte, ausgerechnet dir zu erzählen, wo unsere Schwächen liegen und welche Pläne der König hat oder nicht hat.«
    Tugomir schnaubte. »Du scheinst in Bezug auf meine Zukunft weitaus zuversichtlicher zu sein als ich.«
    »Zuversicht gehört zu meinen schöneren Eigenschaften«, räumte Thankmar ein. »Sie sind nicht sonderlich zahlreich, weißt du, und mir deswegen besonders teuer.«
    Tugomir dachte, dass er sich wirklich vorsehen musste. Wenn er nicht aufpasste, lief er Gefahr, seinen Hass auf diesen sächsischen Prinzen zu verlieren. Um sich von der freundschaftlichen Anwandlung zu kurieren, fragte er: »Wie werden sie sterben? Die Redarier und Obodriten?«
    »Sie werden enthauptet«, antwortete Thankmar. »Graf Thietmar … kennst du ihn? Er ist Geros Vater.«
    »Ich weiß.«
    »Er hatte sich etwas viel Originelleres für sie ausgedacht, aber der König hat anders entschieden. Er habe keine Zeit für solchen Firlefanz, hat er gesagt. Das sagt er gern. Alles, was ihm nicht passt, nennt er ›Firlefanz‹.«
    »Nun, in diesem Fall sollte ich ihm wohl dankbar sein«, gab Tugomir zurück. Es war der ehrenvollste Tod, den ein Gefangener erhoffen konnte.
    »Komm schon, in Wahrheit denkst du doch, dass die Obodriten es alle verdient hätten, in einem Weidenkorb über einem Feuer zu rösten. Ihr Heveller verabscheut die Obodriten, richtig?«
    »Du kennst dich gut aus bei uns … wie sagt ihr? Bei uns Barbaren.«
    »Ich halte es für klug, meine Feinde zu studieren, Prinz Tugomir. Genau wie du. Also?«
    »Man hat mich gelehrt, dass alle Obodriten hinterhältige Feiglinge sind, ja. Sie haben die Götter verraten und sich eurem Buchgott zugewandt. Aber jetzt sind sie auf einmal unsere Verbündeten. Haben wir uns geirrt? Ich weiß es nicht. Mein Vater muss jedenfalls einen guten Grund gehabt haben, sich mit ihnen zusammenzutun. Kein Heveller hat die Obodriten mehr gehasst als mein Vater.«
    »Warum?«
    Wegen seiner Mutter, natürlich. Ausgerechnet von einem obodritischen Fürstensohn hatte sie es sich besorgen lassen. Fast noch ein Knabe, den die Heveller bei einem Kriegszug gegen die verhassten Nachbarn gefangen genommen hatten und gegen ein Vermögen an Silber wieder hergeben wollten. Aber dazu war es nie gekommen. Der Obodritenprinz hatte erst sein Gemächt verloren, dann die Augen und zuletzt das Leben. Tugomir rätselte oft, was seine Mutter zu solch einer ungeheuerlichen Tat veranlasst haben mochte. Sie hatte ja nicht nur ihren Mann betrogen – was Grund genug gewesen wäre, sie brennen zu lassen –, sondern sie hatte obendrein ihren Fürsten und ihr ganzes Volk verraten. Manchmal fragte er sich, ob sie ihren Vater vielleicht aus tiefster Seele gehasst hatte. Und falls ja, warum. Sie waren ausgesprochen beunruhigend, diese Fragen. Aber gerade deswegen gaben sie niemals Ruhe.
    »Ihr habt doch hoffentlich nicht Eure Zunge verschluckt, edler Prinz Tugomir?«, erkundigte Thankmar sich besorgt.
    »Nein«, knurrte er. »Aber genau wie du frage ich mich, wie klug es ist, gerade dir von unseren Plänen, unseren Bündnissen und Feindschaften zu berichten.«
    »Hm. Zu schade. Ich hätte es gerne gewusst. Und da sind wir schon.« Er wies auf die ersten Wachfeuer, die vielleicht noch hundert Pferdelängen entfernt vor ihnen flackerten.
    Tugomir nickte. Er hatte sie längst gesehen, und er spürte sein Herz in der Kehle flattern. Er fürchtete sich vor dem, was er hier zu tun

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