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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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haben wirst! Und sein Vater und sein Stiefvater sind total nett und tun niemandem etwas zuleide. Ihr Dorfleute seid echt das Letzte!« Sie schnappte nach Luft. »Was wird über mich geklatscht? Dass ich in der Klapsmühle war? Dass ich so verrückt bin wie ein Märzhase?«
    Er riss die kornblumenblauen Augen weit auf. »Du? Du gehörst zum Dorf. Du bist Nova Vandenbourgh! Deiner Familie gehört das Haus !«
    Das verschlug ihr die Sprache. Sie wandte den Blick ab.
    Er schien ihr Schweigen als Ermunterung aufzufassen. »Sollen wir ein bisschen rumlaufen? Wir könnten zum Hafen runtergehen und dann ...«
    November richtete sich auf. »Wir gehen zum Kutscherhaus«, entschied sie. »Du entschuldigst dich bei Adrian und seinen Vätern. Danach entscheide ich, ob ich dich noch kennen möchte.«
    Jamie blinzelte mehrmals, schluckte und nickte dann.
    Sie sprachen wenig miteinander, während sie zum Heathcote Manor hinaufgingen. November war in Gedanken. An dem Tag, als Adrian mit der Axt durch den Garten getobt war, war sie über die Mauer geklettert, hatte den verwilderten Park durchquert und sich dem Gemäuer genähert ... aber als die Mauern über ihren Kopf ragten und das Sonnenlicht auslöschten, war ihr Herzklopfen plötzlich so laut geworden, dass es sich wie Donner anhörte. Sie war zurückgerannt, ohne noch einmal anzuhalten. W arum hatte sie das getan? Sie wusste es nicht. Es hatte nach ihr gerufen.
    »Da sind wir«, riss Jamies Stimme sie aus ihren Gedanken. Er war stehen geblieben und hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt. »Gehst du vor?«
    Seine unbehagliche Miene brachte sie zum Lächeln. »Sie sind nett«, sagte sie. »Sie beißen nicht und sie werden dir auch nicht den Kopf abreißen.« November sah ihn zum ersten Mal ohne das Gefühl des Zorns an, das bis jetzt ihren Blick verschleiert hatte. Jamie sah sehr jung und sehr verlegen aus, er hatte nichts mehr von dem ein bisschen zu selbstbewussten, ein ganz klein wenig zu sehr von sich selbst eingenommenen Burschen, der sie am Tag zuvor zu ihrer Verabredung abgeholt hatte. Sie reckte sich unwillkürlich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Ich hab dir schon vergeben«, flüsterte sie. »Komm jetzt.« Sie nahm seine Hand und zog ihn hinter sich her.
    Sie klopfte und wartete. Nach einer Weile hörte sie schwere Schritte, die sich aus dem hinteren Teil des Cottages näherten, dann ging die Tür auf und der große Jonathan Magnusson stand vor ihnen. Seine massige Gestalt füllte den Rahmen der niedrigen Tür vollständig aus. November bemerkte, wie Jamies Hand in ihrer zuckte, als er versuchte, sich davonzumachen.
    »Bleib hier«, flüsterte sie und lächelte Magnusson an. »Mr Magnusson, ich hoffe, wir stören nicht.«
    Er blickte von ihr zu Jamie und wieder zu ihr. Seine Stirn war gerunzelt. »Ms Vandenbourgh. Was kann ich für Sie tun?«
    November sah ihn beschwörend an. »Jamie Hewett wollte Ihnen etwas sagen.« Sie stieß Jamie den Ellbogen in die Seite. »Los!«
    J amie räusperte sich rau. »Ich habe mich gestern Ihnen gegenüber sehr schlecht benommen«, sagte er. »Ich wollte mich dafür entschuldigen, Mr Magnusson.« Sein Gesicht rötete sich ein wenig.
    Der große Professor legte den bärtigen Kopf schief und musterte den jungen Mann eindringlich, aber nicht unfreundlich. Dann nickte er und trat zurück, um den Eingang freizugeben.
    »Kommen Sie herein«, sagte er. »Adrian ist oben.« Er führte sie zu der schmalen Treppe ins Obergeschoss. »Ary«, rief er laut, »du hast Besuch!« Er wandte sich an November und lächelte ihr zu. »Gehen Sie ruhig hinauf. Die zweite Tür rechts. Ich kümmere mich um den Tee.«
    November schob Jamie die Treppe hinauf. »Siehst du«, flüsterte sie, »es war doch ganz leicht.«
    Er schnaufte, antwortete aber nicht.
    November klopfte an die Tür, die Magnusson ihnen gewiesen hatte. Sie wartete, bis von drinnen ein zustimmendes Geräusch erklang, dann drückte sie die Klinke herunter. Ihr stockte der Atem. »Wow«, sagte sie unwillkürlich. Augen starrten sie an. Vogelaugen, Froschaugen, Libellenaugen, Menschenaugen, die glühenden Augen eines Nachtvogels, Hundeaugen, Katzenaugen.
    »Heilige Scheiße«, hörte sie Jamie flüstern. »Was ist das ?«
    Adrian stand vor einer Staffelei und hielt Pinsel und Palette in der Hand, als spielte er eine Rolle in einem ziemlich seltsamen Film. Der Blick, mit dem er November ansah, kam von ganz weit weg. Das ferne Glitzern der Milchstraße spiegelte sich

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