Das Haus am stillen See: Mittsommerglück (German Edition)
verrückt mache. Margrit konnte sich noch gut an den jungen Bergholm erinnern. Demi hatte alle Register gezogen, ihm den Kopf zu verdrehen, um ihn dann fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel. Der arme Junge war den ganzen Sommer über nur noch ein Schatten seiner selbst gewesen.
Auch wenn Margrit nur eine einfache Hausangestellte war, so hatte sie doch gleich erkannt, dass man diesem Mädchen einfach nicht über den Weg trauen durfte. Und der einzige Unterschied zur erwachsenen Demi bestand darin, dass sie im Laufe der Zeit nur noch gerissener und skrupelloser geworden war.
Deshalb zweifelte die ältere Schwedin auch nicht im Geringsten daran, dass niemand anderer als Demi für Stinas Kummer verantwortlich war. Sie wusste zwar nicht, was genau vorgefallen war, aber es musste etwas mit Demi zu tun haben. Nur so ließ sich Stinas plötzlicher Stimmungsumschwung ihrer Meinung nach erklären.
Doch wie konnte sie der jungen Frau helfen? Sie hoffte inständig, dass sie ihren Ratschlag, sich mit Patrick auszusprechen, beherzigen würde. Stinas Verhalten sprach allerdings nicht dafür.
Margrit überlegte, ob sie die Sache einfach selbst in die Hand nehmen sollte, um Patrick endlich wachzurütteln. Er schien überhaupt nicht zu begreifen, was in diesem Haus vor sich ging. Kein Wunder, schließlich war er in der letzten Zeit beinahe ständig geschäftlich unterwegs. Irgendjemand musste ihm klarmachen, dass es so nicht weitergehen konnte. Schon einmal war er kurz davor gewesen, Stina zu verlieren.
Mit Schrecken dachte die Haushälterin an jene Nacht zurück, in der es zwischen Patrick und seiner Frau zum großen Krach gekommen war. Die beiden hatten sich angeschrien, so laut, dass es selbst für Margrit und Harald, deren Räume sich in einem anderen Trakt des Hauses befanden, deutlich zu hören gewesen war. Kurz darauf war es plötzlich still geworden. Zu still. Besorgt war Margrit ans Fenster getreten, gerade noch rechtzeitig, um Stina in ihren Wagen steigen zu sehen. Sie war so schnell davongerast, dass Margrit es mit der Angst zu tun bekommen hatte. Zu Recht, wie sich später herausstellte. Auf regennasser Fahrbahn war Stina mit ihrem Auto verunglückt und nur mit viel Glück mit dem Leben davongekommen.
So weit durfte es nicht noch einmal kommen. Stinas Gedächtnisverlust war für Patrick Fluch und Segen zugleich gewesen. Er hatte ihm die Chance geboten, mit seiner Ehefrau noch einmal ganz von vorne anzufangen. Und wäre Demi nicht plötzlich wieder auf der Bildfläche erschienen, hätte er es auch geschafft, Stina erneut für sich zu gewinnen, davon war Margrit fest überzeugt.
Und jetzt? Wie würde es jetzt weitergehen? Margrit wusste es nicht, aber sie befürchtete, dass Stina, wenn sie dieses Mal davonlief, nie wieder zurückkehren würde.
Stina hatte kaum geschlafen und viele Tränen vergossen. Vor ein paar Stunden hatte Patrick noch einmal an ihre Tür geklopft und versucht, sie zu einer Aussprache zu überreden. Sie hatte einfach nicht darauf reagiert und stumm in ihr Kopfkissen geweint. Als sie jetzt hinaus in den Garten trat, waren ihre Tränen endlich versiegt. Sie hatte sich aus dem Haus geschlichen, ohne von jemandem bemerkt zu werden, um noch ein letztes Mal über alles nachzudenken, ehe sie die Konsequenzen aus den Ereignissen der letzten Tage zog.
Sie fuhr zusammen, als sie die dunkelhaarige Schönheit durch das Gartentor treten sah. Sie hätte sich am liebsten auf der Stelle in Luft aufgelöst, doch sie war bereits entdeckt worden.
“
Hej!”
Strahlend kam die Frau auf sie zu und gab ihr die Hand. “Sie müssen Margrit, die Haushälterin sein. Ich habe schon so viel von Ihnen gehört, es freut mich sehr, Sie endlich einmal persönlich kennenzulernen.”
Wie gelähmt stand Stina da und rang mühsam nach Atem. Sie hatte die junge Frau sofort erkannt. Mit der grazilen Figur, dem makellosen Teint und dem seidig glänzende Haar sah sie in natura sogar noch atemberaubender aus als auf den Titelbildern der Modezeitschriften: Tinka Johansson.
“Geht es Ihnen nicht gut?”, fragte das Topmodel und musterte Stina besorgt. Sie schien tatsächlich keine Ahnung zu haben, wen sie da vor sich hatte. Lieber Himmel, sie hielt sie für Patricks Haushälterin!
Stumm schüttelte Stina den Kopf. Übelkeit stieg in ihr auf, jäh und heftig. Der bittere Geschmack von Galle vermischte sich mit dem von Blut, weil sie sich unbemerkt auf die Unterlippe gebissen hatte. Sie ist hier, dachte sie, erfüllt von
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