Das Haus am stillen See: Mittsommerglück (German Edition)
nicht seine Art. Wusste er etwa schon Bescheid? Nein, das konnte nicht sein, Stina war schließlich schon seit über einer Stunde fort, und er selbst war gerade erst zurückgekehrt. Noch ein Punkt, der Demi nervös machte. In den letzten Tagen war ihr Cousin niemals vor Einbruch der Dunkelheit aus der Firma nach Hause gekommen. Gab es einen Grund dafür, dass er heute so zeitig zurück war?
Doch Demi war darin geübt, ihre Gefühle zu verbergen. “Lieber Himmel, was ist denn das für eine Begrüßung, liebster Cousin? Du hast wohl deine gute Kinderstube vergessen.”
Harsch schüttelte Patrick den Kopf. “Halte bitte ausnahmsweise für ein paar Minuten deinen Mund, Demi, mir ist wirklich nicht nach deinen kindischen Späßen zumute.” Er wandte sich an Margrit, die bei all der Aufregung ihre Töpfe völlig vergessen hatte und Patrick aus großen Augen anschaute. “Hat irgendjemand Stina gesehen? Ich muss dringend mit ihr sprechen.”
“Nein, sie ist heute den ganzen Tag noch nicht aus ihrem Zimmer gekommen”, erwiderte Margrit. “Patrick, ich mache mir ernsthafte Sorgen um sie. Seit ein paar Tagen wirkt sie völlig verstört. Weißt du vielleicht, was mit ihr los ist?”
“Ich wäre froh, wenn ich es wüsste. Gestern Abend wollte sie mich nicht einmal in ihr Zimmer lassen. Genau deshalb will ich ja auch mit ihr sprechen.” In diesem Moment betrat auch Harald die Küche. Patrick runzelte die Stirn. “Ich dachte, du bist mit dem Kombi unterwegs.”
Harald blinzelte überrascht. “Mit dem Kombi? Nein, warum sollte ich? Margrit und ich waren erst vor ein paar Tagen im Ort und haben alles mitgebracht, was wir für die nächste Woche benötigen.”
“Aber das …” Patrick wurde auf einmal ganz blass. “Nein, das kann nicht sein!”
Wie von der Tarantel gestochen, stürzte er aus der Küche und die Treppe hinauf. Demi hörte, wie er im Obergeschoss eine Tür aufriss, kurz darauf kam er schwer atmend zurück in die Küche.
“Weg”, stieß er fassungslos hervor. “Stina ist weg!”
Margrit und Harald schauten sich ungläubig an, und Demi musste ein triumphierendes Grinsen unterdrücken. Sie war schon kurz davor gewesen zu verzweifeln, nachdem Stina selbst auf den fingierten Liebesbrief und den Anruf ihrer Freundin Jennifer, die sich als Patricks Geliebte ausgab, nicht reagiert hatte. Deshalb hatte Demi schließlich sämtliche Register gezogen und sich an eine bekannte Doppelgängeragentur gewandt. Die junge Frau, die man ihr als Double von Tinka Johansson angepriesen hatte, war nur zu gerne bereit gewesen, ihr schauspielerisches Talent unter Beweis zu stellen. Ich bin ein wahres Genie, dachte Demi zufrieden.
Stina war fort, und somit war für Demi endlich der Weg frei. Jetzt galt es nur noch, Patrick zu überzeugen, dass sie die Richtige für ihn war – doch das konnte bei ihren Qualitäten nicht allzu schwierig sein.
Umso mehr überraschte sie Patricks Reaktion. “Du”, fuhr er sie an, und in seinen Augen lag ein hasserfülltes Glitzern.
Erschrocken wich Demi ein paar Schritte zurück. “Was ist los?”, fragte sie und versuchte, ihrer Stimme einen gelassenen Klang zu verleihen – was ihr nicht so recht gelingen wollte.
“Du warst von Anfang an dagegen, dass ich Stina heirate, nicht wahr? Deshalb war ich anfangs ja auch so verwundert, als ihr beiden plötzlich ein Herz und eine Seele wart. Ich dachte doch tatsächlich, du hättest dich geändert. Wie dumm von mir!”
Abwehrend verschränkte Demi die Arme vor der Brust. Sie war längst nicht so ruhig, wie es den Anschein machte. Die Innenflächen ihrer Hände waren schweißnass, ihr Puls raste. War Patrick ihr etwa auf die Schliche gekommen? Aber wie? Sie war doch so vorsichtig vorgegangen. “Ich habe keine Ahnung, wovon du eigentlich sprichst”, log sie. “Aber ich sehe gar nicht ein, hier die Zielscheibe für deine schlechte Laune zu spielen. Wenn Stina sich tatsächlich entschlossen haben sollte, dich zu verlassen, dann ist das ganz allein deine Schuld und bestimmt nicht meine.”
“Ich liebe Stina”, flüsterte Patrick tonlos.
Auf einmal konnte Demi sich nicht länger beherrschen. “Nein, das tust du nicht”, schrie sie ihn an. “Diese Frau ist doch gar nicht gut genug für dich, merkst du das denn nicht? Wenn sie dich wirklich lieben würde, hätte sie sich ganz sicher nicht von ein paar billigen Tricks blenden lassen und …” Erschrocken biss sie sich auf die Unterlippe. Verflixt, was hatte sie da gerade gesagt?
Patrick
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