Das Haus am stillen See: Mittsommerglück (German Edition)
anstrengte, das Eis zwischen ihn zu brechen, desto weiter schien Stina sich von ihm zu entfernen. Es war wie verhext. Patrick hatte versucht, ein Gespräch in Gang zu bringen, aber Stina war nicht darauf eingegangen. Seitdem liefen sie schweigend nebeneinander her. Die Anspannung, die in der Luft hing, war beinahe körperlich spürbar.
Es war furchtbar frustrierend. Er wusste einfach nicht, wie er sich Stina gegenüber verhalten sollte. Wenn er sie anschaute, erblickte er seine Ehefrau, doch die Realität sah völlig anders aus. Denn die Frau, die da so reserviert neben ihm herging, war jemand, den Patrick im Grunde gar nicht kannte.
Wehmütig dachte er an jenen Abend zurück, an dem er Stina vor über acht Jahren kennengelernt hatte. Davor war für ihn Liebe auf den ersten Blick eine romantische Erfindung Hollywoods gewesen. Aber Stina hatte ihn eines Besseren belehrt.
Auf der Party von Max Berggren, einem Bekannten aus Studientagen, für den Stinas Agentur eine groß angelegte Werbekampagne entworfen hatte, hatten ihre Lebenswege sich das erste Mal gekreuzt. Nur zu gut konnte Patrick sich an den Moment erinnern, als sein Blick auf Stina gefallen war. In einem tief ausgeschnittenen, eng anliegenden Abendkleid, das ihre schlanke Figur betonte, ein Glas Champagner in der Hand, hatte sie angeregt mit Max geplaudert.
Patrick war vom ersten Augenblick an klar gewesen, dass sie die Frau war, auf die er schon sein ganzes Leben lang gewartet hatte. Bei ihr hatte es allerdings ein wenig länger gedauert; er hatte um sie kämpfen müssen. Kurz zuvor war eine sehr harte Zeit für sie angebrochen – ihre Eltern waren bei einem tragischen Schiffsunglück ums Leben gekommen –, und eine neue Beziehung einzugehen, war so ziemlich das Letzte gewesen, an dem sie Interesse gehabt hatte. Patrick aber war hartnäckig geblieben und hatte sie schließlich davon überzeugen können, dass sie zusammengehörten. Und an all das konnte Stina sich heute nicht mehr erinnern. Für ihn war sie die Frau, die er über alles liebte – doch er war für sie nicht viel mehr als ein Fremder, an den sie durch eine seltsame Fügung des Schicksals gebunden war.
Die augenblickliche Situation war alles andere als einfach für sie beide. Dennoch bemühte Patrick sich, es als Chance auf einen Neubeginn zu betrachten. Ein Versuch, der ihm noch vor kurzer Zeit vollkommen aussichtslos erschienen war.
Automatisch wanderten seine Gedanken zurück zu den Monaten vor Stinas Unfall. Es war eine Zeit, die er am liebsten aus seinem Gedächtnis verbannt hätte, denn allein die Erinnerung schmerzte mehr, als er ertragen konnte. Und das Schlimmste daran war, dass er bis heute nicht begreifen konnte, wie es so weit zwischen ihnen hatte kommen können.
Eines stand fest: Stina war schrecklich verzweifelt gewesen, als sie an jenem Abend in ihren Wagen gestiegen war. Tief in seinem Inneren wusste Patrick, dass sie ihn eigentlich niemals hatte verlassen wollen. Doch aus irgendeinem Grund war sie davon überzeugt gewesen, dass sie nicht anders handeln konnte. Aber warum?
Vielleicht war es unfair von ihm, Stina diese Tatsache vorzuenthalten, aber er wollte sie nicht noch mehr durcheinanderbringen, als es ohnehin bereits der Fall war. Für sie war es auch so schon schwer genug. Sie war noch nicht so weit, dass er ihr gestehen konnte, wie es tatsächlich um ihre Ehe gestanden hatte.
Patrick hatte keinen blassen Schimmer, wie es zwischen ihnen weitergehen sollte, nur eines wusste er ganz genau: Er wollte Stina nicht verlieren. Der Gedanke, ohne sie leben zu müssen, war für ihn einfach unerträglich.
Doch wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er sie eigentlich schon verloren. Wäre der Gedächtnisverlust nicht gewesen, wäre Stina längst über alle Berge. Nun aber hatte sich die Situation grundlegend geändert. Die Frage lautete nur: Machte er sich etwas vor, wenn er auf einen gemeinsamen Neubeginn hoffte? Er wusste es nicht – doch er würde den Teufel tun, diese winzige Chance ungenutzt verstreichen zu lassen.
3. KAPITEL
S chluchzend lief Stina den schmalen Weg am Ufer des Sees entlang. Tränen verschleierten ihr den Blick. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, sie konnte kaum mehr atmen. Blind stolperte sie immer weiter, Zweige peitschten ihr ins Gesicht und hinterließen schmerzende Striemen auf ihrer Haut. Stina indes spürte sie kaum. Der Schmerz, der in ihrem Inneren wütete, verdrängte alle anderen Empfindungen.
Noch nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich
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