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Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Titel: Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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verlieren, was vorher noch nie der Fall gewesen war. In Samoa gab es so etwas wie » Kontrolle über das Leben « noch nicht einmal als Begriff, es war eine europäische Erfindung. Mit der Heirat in der Sphäre Europas angekommen, wurde der Begriff für Elsa zur Tatsache, deren Fehlen sie belastete.
    Sobald Henning da war, sobald sich Elsa mit ihm zusammen im Schlafzimmer befand, war alles innerhalb von Minuten wieder gut. Er war so lieb zu ihr wie vom ersten Tag des Kennenlernens an, und auch seine Zärtlichkeit ließ nicht nach. Die Geschenke wurden zwar weniger, aber Elsa hatte nie etwas anderes erwartet. Sie entledigte sich sogar einiger seiner früheren Präsente, wie des Vogels, dessen Gefangenschaft sie nicht länger ertrug. Sie ließ das Tier frei, gestand Henning ihre Tat – und er nahm sie dafür in den Arm und küsste sie. Am nächsten Tag brachte er ihr einen neuen Vogel mit.
    Â» Schenk so vielen davon die Freiheit, wie du willst « , sagte er. Genau das tat sie. Zwei, drei Tage nachdem sie wieder einen Vogel geschenkt bekommen hatte, ging sie mit dem Käfig in der Hand zu einem kleinen Hügel inmitten der Kokosplantage, öffnete ihn und blickte dem fliehenden Vogel mit einem wehmütigen Lächeln hinterher. Sie tat es sogar mehrmals im Monat, denn Henning hielt sein Versprechen und wurde nicht müde, ihr Vögel zu schenken.
    Wie hätte sie ihn nicht lieben können, diesen großen Jungen! Elsa wollte nur das Beste, als sie sich entschloss, die Kontrolle über ihr gemeinsames Leben als Mann und Frau zurückzugewinnen.
    Als Henning kurze Zeit später schon mittags wieder einmal ankündigte, über Nacht in Port Rabaul zu bleiben, um bei einem Drink einen potentiellen Geschäftspartner für die Reederei zu gewinnen, war Elsas Stunde gekommen. Kaum war ihr Gemahl mit dem Coupé abgefahren, folgte sie ihm zu Fuß. Längere Märsche machten ihr im Grunde nichts aus, sie war als Kind sehr oft auf Wanderschaft über die Heimatinsel gegangen. Die europäischen Kleider jedoch, die sie sich früher auf den Leib gesehnt hatte, machten die Strecke zur Tortur. Die vielen Schichten aus Mieder, Obermieder, Unterröcken und Oberröcken, Bluse und Kostümjacke, dazu Hut und Sonnenschirm, ließen Elsa immer wieder erschöpft innehalten. Nach einer Stunde hatte sie noch nicht ein Viertel des Weges geschafft. Einunddreißig Grad, totale Windstille und hohe Luftfeuchtigkeit zwangen sie zu langen Pausen. Der Wald dampfte, und sein Duft war der von schwerem Parfüm. Vor allem die weiß blühenden Rosenholzbäume verströmten einen ebenso betörenden wie benebelnden Geruch.
    Ein schmaler Waldweg bot sich als Abkürzung an. Die Vernunft riet ihr davon ab, ihn einzuschlagen. Im Gegensatz zu Samoa gab es auf der Halbinsel Matupi wilde Tiere, die einem Menschen durchaus gefährlich werden konnten: Pythons und Warane, Wildhunde und -schweine. Aber es kam nur sehr selten zu unerfreulichen Begegnungen, und Elsa wusste, wie man sich in einem Wald bewegt, ohne die Tiere zu provozieren. Außerdem wollte sie unbedingt die Kleider loswerden, und auf der Straße wäre das ein zu großes Risiko gewesen.
    Kaum im dichten Wald, zog sie sich bis auf das Mieder aus, legte die Kleider über den Arm und ging barfuß weiter. Die Flora war reicher als in Samoa, und endlich konnte sie sie genießen, die Bäume der Vogelkirschen, Mandeln, Mangos, Kastanien und Feigen. Trompetenbäume mit ihren Fluten von Blüten und den urigen hängenden Früchten, die wie riesige Haarnadeln aussahen. Schraubenbäume, deren Luftwurzeln sich wie gewaltige Tentakel nach allen Seiten erstreckten. Auf kleinen Lichtungen wuchsen Rhododendren und Malven.
    Das Vogelkonzert unter dem Blätterdach war beeindruckend. Neben bekannten Gesängen waren auch fremde darunter, von tiefen Rufen – ou-ou-ou – bis zu hohen Pfeiftönen war alles dabei, dazu kamen die Schreie der Affen.
    Von einigen Moskito-Attacken abgesehen, blieb Elsa unbehelligt. Ab und zu kreuzte eine Schildkröte ihren Weg, der sie gutmütig auf den Panzer klopfte, ehe sie weiterlief.
    Kurz bevor sie bewohntes Gebiet erreichte, suchte sie sich ein geeignetes Plätzchen und zog sich wieder an. Als sie gerade dabei war, den Hut zu richten, der die Größe eines Wagenrades hatte, nahm sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr. Sie dachte schon an einen Waran

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