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Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Titel: Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Bilder ihr enttäuschend fremd. Wie sollte sie sich den Duft der Heide vorstellen, wie den Erdgeruch eines Weinbergs? Dennoch wurde sie nicht müde, es immer wieder zu versuchen. An den Quais von Simpson Harbour gelang ihr dies am besten. Selbst wenn sie nicht dort war, konnte sie vom Balkon der Kontorwohnung aus das eine oder andere bekannte Geräusch aufschnappen und zu träumen anfangen.
    Was den beengten Platz in der Kontorwohnung anging: Elsa war von Samoa nichts anderes gewöhnt. Sie hatte zwar in der von den Kolonialmächten für den König erbauten Residenz gewohnt, aber in einem der kleineren Zimmer, zusammen mit einer Tante. Dort, wo sie herkam, war das Haus nur eine Schlafstatt, das eigentliche Leben spielte sich im Freien ab. In einer großen Wohnung ohne muntere Gesellschaft drumherum, so fürchtete sie, würde sie sich verloren vorkommen.
    Der Umzug stimmte Elsa traurig. Sie verstand und akzeptierte jedoch, dass Henning all das nicht so sah wie sie. Er war nun mal anderes gewöhnt als sie.
    In räumlicher Hinsicht war Vandervalts im Kolonialstil erbaute Villa eine Verbesserung. Sie lag im Herzen einer bedeutenden Kokosplantage, und wer in dem Rondell auf dem Dachfirst stand und auf das rauschende grüne Meer des Palmenhains sowie auf die schnurgeraden, sternförmig ausstrahlenden Wege niederblickte, hätte meinen können, er befände sich im Herzen eines Königreichs. Tatsächlich waren es über zwei Stunden Fußmarsch bis Simpson Harbour, womit Elsas tägliche Besuche des Hafens ein Ende hatten. Anfangs nahm sie den Einspänner, bis Henning ihr klarmachte, dass es in Port Rabaul nicht gern gesehen wurde, wenn eine Frau ohne männliche Begleitung ausfuhr.
    Â» Aber wenn ich allein spazieren gehe, stört sich doch auch niemand daran. «
    Â» Das ist nicht dasselbe, Prinzessin. «
    Warum es nicht dasselbe war, konnte er ihr nicht erklären. Allein spazieren gehen ja, allein ausfahren nein. Es handelte sich demnach um eine jener europäischen Regeln, von denen sie schon lange vor der Heirat gewusst hatte, dass sie sich daran anzupassen hatte. Elsa war dazu bereit und gab sich große Mühe. Von dem Tag an, an dem sie als Kind beschlossen hatte, Europäerin zu werden, hatte sie in Kauf genommen, dass ihre samoanischen Wurzeln nach und nach gestutzt und die deutschen gestärkt würden. Jeden Tag lernte sie etwas dazu, und wenn ihr manche Strecke auch schwerfiel, zweifelte sie nie daran, dass der Weg richtig war. Also verzichtete sie auf den Einspänner und stieg auf einen Zweispänner mit Kutschbock um, den einer von Vandervalts Dienern lenkte.
    Nach einer Weile wandte Henning ein: » Prinzessin, Liebes, es geht nicht, dass du neben einem Filipino auf dem Kutschbock sitzt. Bedenke bitte, wer du bist. «
    Sie verstand nicht, zuckte mit den Schultern. » Deine Frau. «
    Â» Mehr als das. Du bist eine Aristokratin. «
    Zum ersten Mal fiel Elsa auf, dass Henning ihre vornehme Herkunft stärker betonte als ihre Rolle als Ehefrau. Zunächst dachte sie sich nichts dabei. Doch so, wie ein überraschend entdeckter Fleck die Aufmerksamkeit für weitere Flecken schult, durchforstete sie ihre Erinnerung nach zusätzlichen Beispielen und musste nicht lange suchen.
    Henning nannte sie eigentlich immer » Prinzessin « . Im Privaten war das ein Kosename, an den sie sich schnell gewöhnt hatte, wie sie sich auch an » Blütenköpfchen « oder » Paradiesvögelchen « gewöhnt hätte. Bei jenen Gelegenheiten jedoch, wenn Henning Elsa – auch bei formlosen Zusammenkünften – vorstellte, bekam die Verwendung ihres Titels etwas Gezwungenes: » Meine Frau, Ihre Hoheit Prinzessin Elsa Fa’alua. « Noch deutlicher wurde die Überbetonung ihrer noblen Abkunft, wenn Henning mit anderen über sie sprach. Viele Male hörte sie zufällig, wie er beispielsweise sagte, die Prinzessin werde nie seekrank, die Prinzessin möge kein Rindfleisch, die Prinzessin spreche vier Sprachen … Er sagte fast nie » Elsa « oder » meine Frau « .
    Elsa hatte durchaus nichts gegen ihren Titel, sie selbst wies gelegentlich auf ihre königlichen Verwandten hin, wenngleich sie sich in deren Gesellschaft nie königlich gefühlt hatte. Aber Prinzessin zu sein war lediglich ein Attribut unter anderen, so wie sie auch Samoanerin, Deutsche, Tochter und Ehefrau war – und eines Tages wohl

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