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Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Titel: Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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die kleine Wohnung am Hafen. Denn, so seltsam es klang, Elsa hatte sie nicht trotz, sondern wegen ihrer offenkundigen Mängel liebgewonnen. Es war nicht viel Platz darin. Ruhig lag sie auch nicht, denn die Quais von Simpson Harbour waren nur einen Steinwurf entfernt. Gerade die Fülle an Stimmen und Bewegungen jedoch belebte Elsa. Oft ging sie, wenn Henning geschäftlich unterwegs war, zum Hafen, wo sie lange dem Ein- und Ausschiffen der Güter und Passagiere zusah, ohne von der Vielzahl der Eindrücke zu ermüden. Wer in diesen Stunden nicht alles an ihr vorbeizog: Amerikaner in gut geschnittenen schwarzen Anzügen und mit weißen Melonen in Begleitung ihrer Sekretärinnen, naserümpfende britische Dandys in pastellfarbenen Jacketts auf der Durchreise, Pastoren der verschiedenen amerikanischen Freikirchen, die um die Herrschaft über die Seelen der Kanaken konkurrierten. Außerdem japanische Auswandererfamilien, die Kinder huckepack in großen Körben auf dem Rücken, unter riesigen Strohhüten gebeugt vorübertrippelnde Chinesen, die noch im Kaiserreich geboren worden waren. Und natürlich die vielen billigen Arbeitskräfte mit freiem Oberkörper, Filipinos, Kaledonier, Polynesier, Melanesier, Mikronesier und die einheimischen Tolai, die die angelieferten Güter schleppten, Getreidesäcke, Hühnerkäfige, Wein- und Bierfässer … Gelegentlich wurden auch Pferde entladen, ebenso Rinder, Esel und Automobile. Nirgendwo sichtbarer als am Hafen von Port Rabaul, dem Tor zum Pazifik, trafen die Kulturen der Südsee, des fernen Europas und des nahen Asiens aufeinander. Nur ein paar Meter weiter, in den Wohngebieten von Port Rabaul, liefen sie auch schon wieder auseinander und verstreuten sich.
    In diesem Gewimmel drückten sich – darüber war Elsa sich durchaus im Klaren – die enormen Umwälzungen aus, die sich in der Südsee vollzogen. Noch vor einem Lebensalter hatten die Polynesier ausschließlich ihre Götter angebetet, ihre eigenen Rituale begangen, nur sich selbst gedient. Sie hatten keinen Im- und Export betrieben, kein Kreuz und keine Sünde gekannt, spärliche Kleidung getragen, ihre Häuptlinge gewählt, ihre Gesetze und Moral selbst bestimmt … Aber dann waren die Kanonenboote der Briten, Franzosen, Spanier, Holländer, Deutschen und Amerikaner gekommen und mit ihnen die Soldaten, und dann die Missionare, die Siedler und Kaufleute. Anfangs widerstanden die Polynesier den kulturellen Einflüssen der neuen Herren. Aber so wie die mythische Welt der Artussage, von der Elsa gelesen hatte, war auch die mythische Welt der Polynesier dem Untergang geweiht. Anfangs widerwillig, dann lustlos und schließlich artig hatte man sich der neuen Kultur ergeben. Die Umerziehung war noch im Gange, der Umbruch noch nicht abgeschlossen. In den letzten Winkeln der polynesischen Herzen lebten die alten Götter und Traditionen zwar noch, doch sie wurden von Tag zu Tag schwächer. Elsa war nicht nur ein Kind zweier Kulturen, sondern auch zweier Epochen, und sie blickte mit einer gewissen Wehmut auf das, was im Sterben begriffen war.
    Schließlich regten auch die Dampfer Elsas Fantasie an. Sie kamen von überall her, blieben eine Weile und fuhren zurück in die Weite der Welt. Auf einem von ihnen würde sie in nicht allzu ferner Zeit die vertraute Heimat des Pazifiks verlassen und zu einem neuen Ufer aufbrechen, und sie versuchte oft, sich diesen Moment vorzustellen. Melancholie mischte sich dann mit freudiger Erwartung. Ja, sie würde vieles zurücklassen und vermissen, es vielleicht nie wieder mit ihren Sinnen erleben: die im Glanz der Sonne glitzernden Schwärme fliegender Fische, den smaragdgrünen, im Passat rauschenden Blätterwald, das azurne Meer, wie es weiß über die vorgelagerten Riffe brandet, den Duft brennender Kokosnussschalen, die Fahrt in einem pfeilschnellen Einbaum, eine im Schatten der Feigenbäume verbrachte Stunde mit Freunden … Sogar das Sternenzelt, zu dem sie seit ihrer frühesten Kindheit aufgeblickt hatte, würde in Europa ein anderes sein.
    Trotz alledem strebte sie dem Anblick der neuen Heimat, die sich tief in ihr bereits mit der Langsamkeit einer Blüte öffnete, ungeduldig entgegen. Sie hatte Fotos gesehen, Bücher gelesen. Vor ihrem inneren Auge imaginierte sie einen Gang durch das Watt, den Blick vom Brocken, eine Rheinfahrt und vieles mehr, allerdings blieben diese

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