Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman
der keine Hemmungen hatte, Unbewaffnete niederzustrecken.
» Du Deutsch « , sagte der Offizier. » Du verbündet, dürfen gehen. Lazarett geschlossen. Ab sofort Hotel sein Quartier für japanische Offiziere. Lazarett irgendwo anders. Gehen. Sofort gehen. Nehmen Frau mit. «
Jeder Widerspruch wäre sinnlos gewesen gegenüber einem Mann, der seine Pistole als Argument verstand, daher verlieÃen Elsa und Max das Hotel. Das Licht des frühen Morgens blendete sie, als sie auf die StraÃe traten. Von der See strömten Wolkenberge auf Port Rabaul zu.
» Was werden die Japaner mit den Patienten tun? « , fragte Elsa besorgt.
» Es sind hauptsächlich Frauen, Kinder und Greise, die haben wohl nichts zu befürchten. «
» Wusstest du, dass der Mann, den der Japaner erschossen hat, australischer Soldat war? «
Max nickte. » Er war desertiert. Du weiÃt, ich würde jeden medizinisch versorgen, sogar diesen widerlichen japanischen Hauptmann. Ich werde mal nach dem Café sehen. Hoffentlich steht es noch, dann kann ich dort ein Notlazarett einrichten. Und du legst dich schlafen. Eine ärztliche Anordnung, verstanden? «
» Der ich mich bereitwillig füge « , sagte Elsa, die im Stehen hätte einschlafen können. Nun, da sie aus dem Lazarett vertrieben worden war, fiel alle Verantwortung von ihr ab, und sie fühlte sich wie eine leere Hülle.
» Danke « , sagte Max, bevor sie sich trennten. » Ohne dich hätte ich die letzten Tage nicht durchgestanden. «
Sie lächelte, sein Lob belebte sie noch einmal. Sie dachte an die vergangenen Tage zurück, die ihr wie ein Monat vorgekommen waren, und suchte nach Worten, um das seltsame Glück zu beschreiben, das sie trotz der Erschöpfung und Verzweiflung empfunden hatte. In ihrem Herzen waren die Worte längst vorhanden, aber ihr müder Verstand vermochte sie nicht hervorzuholen.
Max verabschiedete sich, und Elsa wollte nur noch nach Hause.
Es regnete. Schwere Tropfen fielen auf die Trümmer einer Stadt. Port Rabaul war nicht wiederzuerkennen, ein menschenleeres Schlachtfeld, beklemmend still. Die Menschen hatten sich in ihre Häuser verkrochen, die Toten waren beerdigt, die Brände hatte der Monsun gelöscht. Bisweilen schien es, als hätten die Tiere Besitz von der Stadt ergriffen. Ein Schwarm Singstare putzte sich auf den in die Höhe ragenden Reifen eines Automobils, ein Waran labte sich an einem Hundekadaver, und ein Rudel neugieriger, nimmersatter Affen plünderte die Müllsäcke. Doch nicht das Chaos stellte Port Rabaul auf den Kopf, es würde sich in wenigen Tagen beseitigen lassen. Der radikale Wandel manifestierte sich nicht in der Unordnung, sondern in der neuen Ordnung. Ãber dem Eingang zum Herrenclub wehte die japanische Flagge. Dort, wo Henning vor zehn Jahren seine Spielschulden aufgehäuft hatte, wo die Briten, Deutschen, Holländer und Australier beim Whisky ihre Geschäfte gemacht und weià livrierte Filipinos den Tee und die Times auf Silbertabletts serviert hatten, residierte nun der japanische Generalstab. Von hier koordinierte er die Offensiven seiner See- und Luftstreitkräfte, die den gesamten Archipel überrollten.
Elsas FuÃmarsch den Hügel hinauf war anstrengend, zudem fing es auf halber Strecke stark zu regnen an, und trotzdem genoss sie diese Stunde. Wohltuende Stille, frische Luft und vor allem die warme Dusche des Monsuns, der ihre Haut reinigte, lieÃen sie die schlimmen Erlebnisse der vergangenen Tage wie auch die Sorgen um die zukünftigen vergessen. Der Wald dampfte, und die beständige, tröstliche Melodie des Monsuns begleitete sie auf ihrem Weg zum Haus der blauen Schmetterlinge.
Als Elsa in der Villa ankam, begrüÃten Paulette, Iolana, Lucille und Lucas sowie Keanu sie herzlich und bestürmten sie sogleich mit Fragen, aber sie wollte nichts als schlafen und erzählte daher nur das Wichtigste. Eine Viertelstunde später, sie lag gerade im Bett, kam Mele herein. Das Mädchen war in seinem Zimmer geblieben, um Iolana nicht zu begegnen. Elsa fand gerade noch die Kraft, Mele zu umarmen und ihr ein paar beruhigende Worte zuzuflüstern, bevor der Schlaf sie übermannte.
Als Elsa erwachte, war es früher Morgen. Zwanzig Stunden lang hatte sie geschlafen, und sie war so hungrig, als wären es ebenso viele Tage gewesen. Sie zwang sich, nicht an die zurückliegenden schrecklichen
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