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Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Titel: Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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sie nicht sagen, da ihr jegliches Zeitgefühl verloren ging – war sie mit Max zusammen, nur mit ein paar weiteren Helfern. Sie und er pflegten Menschen gesund und entließen sie gemeinsam in eine feindliche Welt. Sie und er standen beieinander, als Menschen ihren letzten Atemzug taten, als Mütter um ihre Kinder, Männer um ihre Frauen bangten, als die Säle überladen wurden mit Hoffnungen, Ängsten, Tränen und Gebeten. Die Patienten kamen und gingen, auch die Helfer wechselten, nur Max und Elsa blieben. Erschöpft schliefen sie für einige wenige Stunden ein, oft Seite an Seite, das Stöhnen der Siechen im Ohr, und setzten bald ihre Arbeit fort. Das provisorische Hospital war wie eine Blase, in der die Zeit nicht zu vergehen schien, und hätte man ihnen nicht ab und zu ein beruhigendes Wort über Iolanas Genesung aus der Villa geschickt, die Zweisamkeit inmitten einer zerbrechenden Welt hätte sie vollständig absorbiert.
    Am letzten Tag, an dem das Behelfshospital bestand, wachte Elsa nach einem kurzen Schlaf auf. Verrückt: Ihr Körper war müde, ihr Geist hatte manch schlimmes Bild zu verarbeiten, und trotzdem fühlte sie sich so gut wie lange nicht mehr. Von der Decke aus, auf der sie lag, fiel ihr Blick auf Max, der gerade einen Verband wechselte. Da erst fiel ihr auf, wie unbefangen sie die letzten Tage mit ihm verbracht hatte, ohne die geringste innere Anspannung und viel zu ermattet, um sich zu verstellen. Dann kam der Moment, in dem sie sich wünschte, er würde sich ihr zuwenden. Es war ein wenig albern, aber sie sagte sich, dass er sie, wenn er ihren Blick auf sich ruhen fühlte und ihm begegnete, noch immer liebte und dass es sich lohnte, wenn nötig ein Leben lang auf ihn zu warten. Und so saß sie regungslos auf ihrer Decke und starrte seinen Nacken an, als suche sie nach der Kraft, um ihn zu bewegen. Irgendwann begann sie die Sekunden zu zählen, während Max den Patienten behandelte. Er war so gut wie fertig, als er plötzlich innehielt. Er drehte sich, sein Gesicht war nun schon im Profil zu sehen, es brauchte nur noch eine kleine Bewegung seines Kopfes …
    Doch Max setzte seine Arbeit fort, und bei hundert hörte Elsa auf zu zählen. Sie stieß einen kurzen Seufzer aus, der wie das Echo auf einen dumpfen Schlag klang, legte das Gesicht in die Hände und verharrte eine ganze Weile so, ehe sie aufstand und auf Max zuging.
    Als sie ihn fast erreicht hatte, fiel ein Schuss.
    Max wankte, sank auf die Knie und kippte nach vorne. Elsa rannte zu ihm.
    Â» Max! « , rief sie. » Max, Max! «
    Jemand zerrte sie von ihm weg. Es war ein japanischer Offizier, und als sie sich aus seinem Griff zu winden versuchte, schlug er sie mit der Pistole ins Gesicht, woraufhin sie zu Boden fiel. Einige Sekunden lang war ihr schwarz vor Augen, sie spürte ihren Körper nicht mehr, bis auf die pochende Wange, und wartete auf den zweiten Schuss, der das Letzte wäre, was sie hören würde.
    Stattdessen vernahm sie ihren Namen, eine Hand umfasste ihren Hinterkopf, stützte ihn. Nicht langsam, sondern als hätte jemand den Lichtschalter betätigt, gewann sie ihre Sehfähigkeit zurück. Es war Max, der sich über sie beugte.
    Â» Du lebst « , murmelte sie. Ihr Blick fiel auf einen leblosen Körper am Boden. Es war der Patient, den Max eben noch versorgt hatte und den er versucht hatte aufzufangen.
    Â» Bist du in Ordnung? « , fragte er sie auf Deutsch. Sie hatten sich in der Familie schon vor Jahren angewöhnt, Englisch oder Französisch miteinander zu sprechen, auch Max und Elsa, selbst wenn sie unter sich waren.
    Â» Als ich sah, wie du auf den Boden gefallen bist, da dachte ich … Ja, es geht mir wieder gut « , beantwortete sie seine Frage und ließ sich von ihm auf die Füße helfen.
    Â» Du Deutsch? « , fragte der Offizier, der geschossen hatte.
    Nach der ersten Überraschung, dass der Japaner offensichtlich ein paar Brocken Deutsch beherrschte, fuhr Max ihn an: » Sie haben diesen Mann grundlos erschossen. «
    Â» Er Soldat. «
    Â» Er war Zivilist, sehen Sie das denn nicht! «
    Der Japaner griff dem Toten in den Kragen und zog eine Erkennungsmarke hervor.
    Â» Er Soldat. «
    Â» Sie haben wohl noch nie etwas von der Genfer Konvention gehört? Sie dürfen nicht … «
    Elsa legte ihm eine Hand auf den Arm, um ihn daran zu erinnern, dass er mit einem Offizier sprach,

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