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Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Titel: Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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sich nur langsam korrigieren. Außerdem hielt sie es aufgrund des europäischen Teils ihrer Erziehung für unangebracht, mit einem im Grunde fremden Mann vertraulich zu werden, unter dessen Dach sie vorübergehend schlief.
    An jenem Abend verschworen sich jedoch eine Stunde der Ruhe, ein ergreifender Sonnenuntergang und die darauf folgende Dunkelheit, um ihre Blockade zu lösen.
    Â» Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, Ma’am « , begann er das Gespräch. » In der Nacht kann ich besser über persönliche Dinge sprechen. Das spärliche Licht verhindert, dass man sich in die Augen sehen muss, und die einsetzende Müdigkeit vermittelt einem die Illusion, man könne am nächsten Tag so tun, als habe das Gespräch nie stattgefunden. «
    Zunächst schwieg Elsa. Aber dann beschloss sie, sich ihm zu öffnen. » Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, Herr Doktor. «
    Â» Weil ich Ihnen einen Platz zum Schlafen angeboten habe? War mir eine Freude, Ma’am. Falls Sie es noch nicht gemerkt haben, in meinem Zweitberuf befreie ich Seelen aus Myrtle Maloys alttestamentarischen Klauen. «
    Elsa lachte leise. » Ich möchte mich darüber hinaus für die Einblicke in Ihre Arbeit bedanken. Es ist eine Freude, Ihnen dabei zuzusehen und mitzuerleben, wie sehr die Einheimischen Sie schätzen. Ich glaube, sie achten keinen Weißen mehr als Sie. «
    Er sagte nichts dazu, was Elsa nicht überraschte. Sie hatte bemerkt, dass ihn die Verehrung seiner Patienten verlegen machte und er sie nur deswegen unwidersprochen hinnahm, um die Leute nicht vor den Kopf zu stoßen.
    Â» Im Gegenzug bedanke ich mich für Ihre Hilfe « , sagte er.
    Â» Ich bitte Sie, das bisschen Putzen. «
    Â» Und Aufräumen, und die wartenden Patienten betreuen, und sich um das Essen kümmern … «
    Â» Das ist nun wirklich nichts Besonderes. «
    Â» In Europa würde eine Prinzessin noch nicht mal einen Staubwedel in die Hand nehmen, geschweige denn benutzen. Und in der Südsee führen sich alle weißen Frauen wie Prinzessinnen auf. Die Französinnen schminken sich morgens jung, mittags kaufen sie sich jung und nachmittags trinken sie sich alt bis in die Nacht. Die Engländerinnen erschöpfen sich bei unendlichen Bridgespielen und einer sich zyklisch wiederholenden Konversation. Und die deutschen Frauen beschäftigen sich mit dem immerwährenden Wettbewerb, ihre Wohnungen und ihre Kleidung weitgehend einzudeutschen. Sie alle zusammen reden sogar betagte, würdevolle einheimische Diener mit ›Boy‹ an. «
    Â» Ich glaube, Sie schämen sich für die Weißen. «
    Â» Das würde ich, hätte ich mich gedanklich nicht längst von ihnen gelöst. «
    Â» Trotzdem behandeln Sie diese Leute. «
    Â» Ich behandle jeden, der meine Hilfe braucht. Von irgendwas muss auch ich leben. Die Einheimischen bringen mir zwar Eier, Taro, Fische und manchmal Fleisch, und der Wald liefert Früchte, bloß kann ich davon weder Medikamente noch Verbandszeug kaufen. Mit den hundert Pfund, die mir die Frau von den Marquesas-Inseln gezahlt hat, kann ich dagegen drei Fieberkranke vor dem sicheren Tod retten. «
    Â» Sie meinen Iolana? Nein, die kommt von Tahiti. Das hat sie mir vor einigen Monaten selbst gesagt. «
    Â» Dann hat sie gelogen. Auf ihrer Liste stand ein Begriff, der ausschließlich auf den Marquesas verwendet wird. Ich muss es wissen, ich war sowohl auf Tahiti als auch auf Nuku Hiva, außerdem spreche ich etwas Marquesanisch. «
    Warum, fragte sich Elsa, hat Iolana gelogen? Es war offensichtlich, dass sie Max Richter um ein Mittel für einen Abort gebeten hatte, aber dafür hätte sie nicht ihre Herkunft verschleiern müssen.
    Â» Missbilligen Sie die Entscheidung gegen das Kind, Ma’am? «
    Â» Ich bin mir nicht sicher. Ich frage mich, was diese Frau dazu veranlasst hat, so etwas zu tun. «
    Â» Wenn ich etwas auf meinen Reisen gelernt habe, dann dass es ebenso viele Geschichten wie Menschen auf der Welt gibt. Aus der Distanz besehen mögen es atomisch kleine und deswegen unsichtbare Schicksale sein. Für diejenigen, die darin leben, sind sie jedoch riesengroß. Ich bin nicht der Meinung, dass eine einzige Moral als Maßstab für alle diese Geschichten und Menschen herhalten sollte. «
    Elsa ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. Sie dachte an Iolana – und an sich selbst. Max schien

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