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Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Titel: Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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taub und blind durchs Leben und weiß daher, dass viele polynesische und melanesische Familien es in jüngster Zeit darauf anlegen, dass die Töchter sich um jeden Preis einen weißen Mann angeln. «
    Â» Fahren Sie ihm nicht nach « , bat Max unvermittelt. » Ihre Heimat ist hier, Elsa, nirgendwo sonst. «
    Elsa stand auf und machte ein paar Schritte auf das Meer zu, das im schwachen Restlicht wie schwarze Tinte schimmerte. Bevor die ersten kleinen Wellen ihre Füße berührten, zog sie die Sandalen aus. Der Stille Ozean umspülte den Saum ihres Kleides.
    Manchmal konnte sie selbst nicht glauben, dass all das, was sie von Kindheit an kannte, aus ihrem Leben verschwinden sollte: der Rhythmus der Trommeln, die Fahrt im Einbaum, der Gleitflug der Fregattvögel, der Anblick der freien, glänzenden Männerkörper mit ihren Muskeln und Adern, das Rauschen des Monsuns, das Sternbild des Großen Hundes …
    Zugleich vernahm sie auch diese andere Stimme in sich, die sie dazu brachte, die Opern von Wagner und Weber aufs Grammophon zu legen, sich einen Spaziergang durch eine Heide voller Schafe vorzustellen, Rilkes Gedichte aufzusagen, rheinischen Wein zu probieren … Schon vor Henning hatte sie ein Verlangen nach dieser fernen Welt verspürt, die ihr seltsamerweise nie fremd vorgekommen war. Henning hatte die Sehnsucht nur verstärkt, und seine Abwesenheit verstärkte sie noch einmal.
    Elsa spürte Max hinter sich, drehte sich jedoch nicht zu ihm um.
    Â» Das Deutschland, an das Sie glauben, ist längst untergegangen, Elsa « , sagte er mit trauriger Stimme. » Wenn es im Jahr dreiunddreißig überhaupt noch einen Glanz ausstrahlt, dann den eines implodierenden Sterns. Und was Henning betrifft, er ist Ihrer nicht würdig. Sie sind ihm zehnmal überlegen an Reife, Güte und Selbstlosigkeit. In Ihnen steckt eine famose Frau, das spüre ich. Dagegen ist Ihr Ehemann ein naiver, gedankenloser kleiner Junge. In einigen Jahren würde er Ihnen auf die Nerven gehen. «
    Â» Hören Sie auf « , befahl sie und fuhr herum. » Sie haben kein Recht, so etwas zu sagen. «
    In seiner linken Hand leuchtete ein weißes Papier im Mondlicht.
    Â» Ein … Telegramm? « , fragte sie.
    Â» Man hat es mir vorhin für Sie mitgegeben. «
    Â» Max! « , rief sie voller Hoffnung, und wie schon vor einer Woche nahm sie das Fernschreiben mit zitternden Händen entgegen. » Aus Deutschland? «
    Â» Nein, aus Indien, genauer aus Madras. «
    Â» Indien? Wahrscheinlich passiert Hennings Schiff die Stadt. Drei Wochen ist er nun weg, das kommt zeitlich hin. Haben Sie es gelesen? «
    Â» Natürlich nicht. «
    Â» Licht. Haben Sie Licht? «
    Er entzündete ein Streichholz, ließ sich dabei aber so viel Zeit, dass sie es kaum aushielt. In diesem Schreiben würde Henning ihr alles erklären. Endlich erführe sie, warum er überstürzt abgefahren war und das Geld abgehoben hatte. Er würde bereuen, berichten. Er würde ihr eine ausreichend hohe Summe anweisen, damit sie ihm folgen konnte.
    Max entzündete das Streichholz.
    Das Telegramm bestand aus einem einzigen Satz: » Warte nicht auf mich, das kann ich nicht verlangen. «
    Elsa las ihn sieben- oder achtmal.
    Â» Warte nicht auf mich, das kann ich nicht verlangen. «
    Für einige Minuten war sie ganz in diesen Satz versunken, und als sie wieder aus ihm emportauchte, war sie ein gutes Stück am Strand entlanggelaufen. Das Fernschreiben war ihr entglitten. Max, ein paar Schritte hinter ihr, hielt es in Händen.
    Â» Warte nicht auf mich. « Was bedeutete das? Elsa blickte in die Sterne, so wie Millionen Menschen vor ihr, als stünde dort die Antwort geschrieben, eine Zukunft, gegossen in den Nachthimmel.
    Manche Sätze verlangten nach einer Auslegung. Doch jeder Auslegung ging immer ein Bild voraus. Dieses Bild entsprang dem menschlichen Geist, der sich wiederum die für ihn günstigste Variante aussuchte. So kam es, dass am Strand der Matupi Bay zwei völlig unterschiedliche Auffassungen kollidierten.
    Â» Es tut mir leid, dass Sie es aus einem Telegramm erfahren müssen « , sagte Max. » Ihr Mann hätte wenigstens so viel Anstand besitzen können, Ihnen dabei in die Augen zu blicken. «
    Â» Wovon sprechen Sie? Henning ist völlig verzweifelt, und das ist seine Art, mir zu sagen, dass er mich braucht. «
    Elsa sah einen

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