Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman
und Himmel die Lichter von Port Rabaul den Hügel hinauf zogen. Ganz oben, inmitten der Nacht, ging von der Villa der schwache Schimmer eines weit entfernten Sterns aus. Das war ihr Zuhause, das erste richtige Heim, das sie je gehabt hatte, und Paulette, Elsa und Keanu waren ihre Familie. Elsa hätte mit ihrem Reichtum überall hingehen, sie hätte wie eine Königin in Samoa oder wie eine mysteriöse Exotin in Europa leben können. Doch sie hatte sich für die Matupi Bay entschieden, genau wie Iolana, die ihre Götter darum bat, diesen Ort nie wieder verlassen zu müssen.
Die milde Stimme Iolanas übertönte kaum den Wind und das Meer dieses Abends, weshalb nur der Passat das Gesagte vernahm. Aus ihrem Mund hörte sich alles ähnlich an, es klang wie eine Mischung aus Traurigkeit, Abgeklärtheit, fatalistischer Schicksalsergebenheit und dem Mut der Verzweiflung. In Iolanas Vorstellung verwirbelte der Wind ihre Worte und trug sie zerstückelt mit sich quer über den Pazifik, wo sich einst die Tragödie ihres Lebens ereignet hatte. Am Ende des leisen Gebets bat sie noch um Verzeihung, aber nicht die Götter â¦
Als sie Schritte auf dem Steg näher kommen hörte, schwieg sie. Ihr angespannter Blick löste sich, noch bevor sie erkannte, wer aus dem Dunkel auf sie zutrat. Sie hatte so eine Ahnung â das kam öfters vor â, und sie bestätigte sich.
» Hallo. Störe ich Sie? «
» Ãberhaupt nicht « , sagte Iolana.
» Ich habe Sie sprechen hören. «
» Ein kleines Nachtgebet. Es ist beendet. «
Max Richter blieb einige Schritte von ihr entfernt unentschlossen stehen. » Ich habe Sie in den letzten Wochen immer mal wieder abends hier sitzen sehen ⦠die einsame Frau auf dem Steg, umrahmt vom Meer und vom Mondlicht. Ein Motiv wie von einer Postkarte. «
Sie lachte. » Käme ein Fotograf vorbei, würde ich nicht Nein sagen. Ich kann künftig jede Werbung für mein Café gebrauchen. «
Gemeinsam warfen sie einen Blick auf das halb fertige Holzgebäude am anderen Ende des Steges.
Max sagte: » Ich sehe es schon vor mir, das âºCafé Pacificoâ¹. «
» Pacifico? «
» Entschuldigung, ich habe es nur für mich so genannt. Der Name ist mir einfach so zugeflogen. «
Iolana lächelte. » Möchten Sie sich zu mir setzen? «
Er zögerte kurz, aber nur so lange, dass sie es zur Kenntnis nehmen konnte. Dann ging er gerne auf ihr Angebot ein.
Verstohlen beobachtete Iolana ihn dabei, wie er seine Schuhe auszog und die Hose bis zu den Knien aufkrempelte. Nicht zum ersten Mal bemerkte sie seine besondere Wirkung. Obwohl er sehr groà und ansatzweise athletisch war, ging etwas Sanftes von ihm aus, und gerade diese Gutmütigkeit und Milde seines Wesens machten ihn wiederum stark. Er war ein AusgestoÃener, genau wie sie, Paulette und Elsa. Der eigenen Kultur hatte er den Rücken gekehrt, inzwischen aber wohl auch eingesehen, dass ihn die Einheimischen der Südsee trotz aller Bemühungen niemals als einen der Ihren anerkennen würden. Sie schätzten ihn sehr, einige verehrten ihn sogar als Heilsbringer, aber er würde für sie immer ein Paradiesvogel bleiben, der sich einem Schwarm von Staren anzuschlieÃen versuchte.
» Sie sehen müde aus « , sagte sie.
» So fühle ich mich auch. Ich war vorhin bei Elsa, und ich fürchte, ich war härter zu ihr, als sie es verdient. Sie hat mir einen Scheck über eine Million Pfund angeboten, den ich zurückgewiesen habe. Ich weiÃ, sie hat es nur gut gemeint, trotzdem hat sie mich schwer enttäuscht. «
Iolana geriet in einen Konflikt, immerhin war Elsa ihre beste Freundin. Allerdings konnte sie auch Max verstehen. Als Elsa ihr das Grundstück und das Geld für die Bebauung gegeben hatte, war auch ihr erster Impuls gewesen, beides zurückzuweisen. Wie die meisten Bewohner der Südsee hatte Iolana weder jemals nennenswertes Eigentum besessen noch es vermisst. Eigentum verpflichtete, es nahm einem ein Stück Freiheit. Bekam man es geschenkt, zwang es einen zudem zu Dankbarkeit und Loyalität, alles andere wäre unmoralisch. Auf Dauer war ein solches Geschenk meist eher Belastung als Morgengabe einer Beziehung, und Iolana konnte nicht umhin, Max weise zu finden. Dennoch versuchte sie, ihm Elsas wahre Motive nahezubringen.
» Das Geld war ihre Art, Ihnen zu sagen, dass sie Sie liebt.
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