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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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wohl? Um sich als französischer Journalist auszugeben. Soviel habe ich kapiert, obwohl ich kein Französisch gelernt hab, sondern Deutsch. Warum gleichfünfzig Stück? Weil man ja schlecht nur drei Stück drucken lassen kann. Ich bin sicher, gebraucht hat er nur eine einzige. Und wissen Sie, wie die Zeitschrift heißt, für die der Korrespondent Pierre Germont arbeitet?« Der Hauptmann machte eine Pause und sagte triumphierend: »›Les enfants‹!«
    »Das heißt ›Kinder‹.« Borodin stützte die Ellbogen auf den Tisch, faltete die Hände und legte sein Kinn darauf. »Und, gibt es diese Zeitschrift wirklich?«
    »Das spielt keine Rolle. Was meinen Sie, warum ist das Internat für diesen Irren ein besonderes Reizthema?«
    »Weil seine angebetete Lilja sich Vorwürfe gemacht hat, dass sie die Nichte in fremde Hände gegeben hat.« Borodin zuckte die Achseln. »Das ist doch sonnenklar.«
    »Mir nicht.« Kossizki senkte den Kopf und schaute Borodin von unten herauf an. »Angenommen, wir beide hätten die Adresse dieses Internats schließlich herausgefunden. Was hätten wir unternommen?«
    »Na ja, für den Anfang hätte ich dich mit irgendeiner erfundenen Geschichte hingeschickt.«
    »Richtig.« Kossizki nickte. »Und was wäre dafür optimal?«
    »Tja, ich weiß nicht. Journalist …«
    »Genau!« Kossizki hob den Zeigefinger. »Aber wir können uns für den Fall einer Überprüfung allseitig absichern, Ferdinand kann das nicht. Tante Julia hat ihm Französisch beigebracht. Er macht Übersetzungen, also liegt die Idee nahe, sich als französischer Journalist auszugeben.«
    »Klar, wenn du ihn schon nicht als Mörder drankriegen kannst, dann wenigstens als Konkurrenten«, knurrte Borodin. »Hör mal, du hast doch selber gesagt, Ferdinand ist intelligent. Meinst du wirklich, er will den Täter auf eigene Faust bestrafen? Er hat keine Waffe, er ist schwach und kränklich.«
    »Was die Waffe angeht, so wissen Sie so gut wie ich: Sich eine Kanone zu besorgen ist heutzutage kein Problem. Und was den Verstand angeht, so sind in diesem Fall die Emotioneneben stärker. Wissen Sie, wenn jemand der Frau, die ich liebe, etwas Derartiges antun würde« – Kossizki verzog das Gesicht –, »dann wäre ich bestimmt imstande … Wir müssen ihn noch einmal vernehmen.«
    »Er wird nichts sagen.« Borodin schüttelte den Kopf. »Du hast wahrscheinlich recht. Er will auf eigene Faust handeln. Er war bei der Vernehmung sehr nervös, aber er hat indirekt versucht, mich zu überzeugen, dass der Mord mit Ereignissen von vor zehn Jahren zu tun hat. Was im Grunde durchaus logisch ist. Was haben wir in dieser Richtung? Die Zeitschrift im Haus der Toten, die ihr Oleg Solodkin im Café gegeben hat. Vor zehn Jahren hat sich seine Mutter Galina nach Unterbringungsmöglichkeiten für eine geistig behinderte Vierjährige erkundigt. Ihre eigene Enkelin? Na schön, sie betrachtete Ljussja nicht als ihre Enkelin, denn sie hasste Olga. Sie hat also erst Olga getötet und dann für das Kind gesorgt?«
    Kossizki winkte ab. »Ach was, sie hat sie nicht getötet. Ich habe weder Olga noch diese Solodkina je gesehen, aber sie sind beide Frauen. Wenn Gift im Spiel wäre, eine Kugel, ein Messer oder ein Autounfall, dann würde ich es glauben. Aber mir vorzustellen, dass eine Frau eine andere packt und aus dem Fenster wirft… Nein, entschuldigen Sie, aber das riecht nach unseriösem Kriminalroman.«
    »Und trotzdem wird manchmal auch auf diese Weise getötet«, entgegnete Borodin unsicher. »Olga neigte zu demonstrativen Selbstmordversuchen. Angenommen, sie hatten einen heftigen, erbitterten Streit. Olga in ihrer Hysterie will die Solodkina erschrecken, reißt das Fenster auf, klettert aufs Fensterbrett …«
    »Und die Solodkina stößt sie runter?« Kossizki sprang auf und lief im Zimmer auf und ab. »Na schön, das wäre möglich. Aber wie hat sie es geschafft, unbemerkt zu bleiben? Es gab doch bestimmt eine Ermittlung, die Nachbarn wurden befragt. Wir müssen uns die Akte aus dem Archiv holen.«
    »Setz dich, Iwan, dein Hin- und Hergetigere nervt. Ich habe schon alles durchgesehen, was es über diesen Selbstmordfall gibt. Die Leiche wurde am dreizehnten Juni um sechs Uhr früh gefunden. Laut pathologischem Gutachten war der Tod fünf Stunden zuvor eingetreten, also gegen ein Uhr. Olga Kolomejez war mit ihrem Kind allein in der Wohnung, ihre Mutter und ihre Schwester waren bei Julia Lastotschkina zu Besuch, sie hatte Geburtstag. Sie übernachteten auch

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