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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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bestimmt trocken. Möchten Sie duschen?«
    »Ja, gern.«
    »Kommen Sie, ich begleite Sie.«
    Unter der heißen Dusche wurde ihr langsam besser. Sie entdeckte in ihrer Armbeuge zwei kleine blaue Flecke mit roten Punkten in der Mitte, Spuren intravenöser Injektionen. Auf dem Hinterkopf ertastete sie eine große, schmerzende Beule.
    Als sie ins Zimmer zurückkam, fiel Ljussja ihr um den Hals. Sie gingen zusammen ins Esszimmer, wo Isolda den Frühstückstisch gedeckt hatte.
    Als sie ein paar Tage später, wie versprochen, Ljussja erneut besuchte und die ruhige, freundliche Isolda und die gesunden, sportlichen Kinder sah, glaubte sie fast, dass das, was sie in jener Nacht gesehen hatte, nur ein Albtraum gewesen war. Sie versuchte vorsichtig, mit ihrer Nichte darüber zu sprechen, doch Ljussja antwortete, sie schlafe nachts sehr fest, sie habe nur manchmal böse Träume, aber an die erinnere sie sich am Morgen nicht mehr.
    Zu Hause klagte Ljussja plötzlich über Übelkeit und konnte nichts essen. Zwei Tage hintereinander wurde sie von furchtbarem Erbrechen gepeinigt. Lilja ging mit ihr zum Arzt und erfuhr von der Schwangerschaft. Im Krankenhaus von Lobnja sagte man ihr, dass Isolda in der fraglichen Nacht tatsächlich den Notarzt gerufen hatte; die Patientin Kolomejez habe aufgrund eines Gefäßkrampfes und gestörten Schädelinnendrucks eine Bewusstlosigkeit erlitten sowie eine Kopfverletzung infolge eines Sturzes.
    Sie beschloss, Isolda ein Ultimatum zu stellen: Entweder, Sie geben mir Ljussja, oder ich mache publik, was nachts in Ihrem Keller passiert. Natürlich antwortete Isolda, in ihrem Keller passiere gar nichts. Dort lagerten alte Möbel und anderes Gerümpel, hin und wieder müssten sie Rattengift ausstreuen. Und Ljussja werde sie nicht herausgeben. Lilja könne das Mädchen gern holen, wann immer sie wolle, für zwei, drei Tage oder für eine Woche, aber nicht länger. Und die Schwangerschaft – ja, das sei leider passiert. Schlimm,aber was sollte man machen? Geistig zurückgebliebene Kinder neigten nun mal zu früher, übermäßiger sexueller Aktivität; das Vernünftigste sei, eine Abtreibung zu arrangieren und das Ganze zu vergessen.
    »Ich rate Ihnen dringend davon ab, jemandem von Ihren Halluzinationen zu erzählen, das könnte Zweifel an Ihrer Zurechnungsfähigkeit auslösen und dazu führen, dass man Ihnen offiziell, per Gerichtsbeschluss, das Recht entzieht, Ljussja zu sehen«, sagte Isolda zum Abschied.
    Galina Solodkina hatte ausgerechnet in dieser Zeit furchtbar viel zu tun und konnte sich nicht mit Lilja treffen. Am Telefon erklärte sie, sie wolle keine Klagen hören, das hätte Lilja sich früher überlegen müssen; sie ihrerseits vertraue Isolda wie sich selbst, Ljussja sei bei ihr bestens aufgehoben, und damit sei das Thema für sie erledigt. Der Anwalt, den Lilja konsultierte, sagte, die Sache mit den gefälschten Papieren sei problematisch, und was die Orgien im Heim angehe, so ließe sich das kaum beweisen. Dafür brauche man die Aussagen der Kinder, und die würden bestimmt schweigen.
    »Sind Sie wirklich sicher, dass Sie das alles nicht doch geträumt haben?«, fragte der Anwalt mit einem mitleidigen Lächeln.
    Selbst Ferdinand hatte ihr erst endgültig geglaubt, als ihm Hauptmann Kossizki mitteilte, dass sie ermordet worden war.
    Ihre letzte Begegnung war nicht gut gelaufen. Nach der Beerdigung von Tante Julia hatten sie sich nur noch einmal gesehen. Da hatte sie ihm alles erzählt. Er hatte eingewandt, das könne nicht sein, satanistische Orgien gebe es nur im Kino, und sie solle nichts überstürzen, sondern sich beruhigen und überlegen, wie sie allein mit dem behinderten Mädchen zurechtkommen wollte, falls sie ihren Kopf wider Erwarten durchsetzen sollte.
    Unversehens hatte Ferdinand die Stadt hinter sich gelassen, betrat das Wäldchen, ging ein Stück weiter, hob denKopf und schaute durch die reglosen Eichenblätter in den Himmel. Der Wind hatte sich gelegt. Er hörte keinen Laut, bis auf das gleichmäßige Knirschen seiner eigenen Schritte auf dem Sandweg.
     
    Nachdem Borodin über zwei Stunden mit Xenia gesprochen hatte, spürte er, dass sie zutiefst gebrochen war, mehr, als er es je bei anderen, Unglücklicheren und vom Leben heftiger Gebeutelten gesehen hatte. Er begriff, dass dieses Mädchen den vierzigjährigen Drogenabhängigen Solodkin nicht aus Berechnung geheiratet hatte, sondern aus Trotz, vor allem gegen sich selbst. Ausführlich hatte sie ihm den Besuch der Zwillinge

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