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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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war, ging sie dorthin und setzte sich unter einer dicken Eiche ins Gras.
    Wenn sie mich entdecken – halb so schlimm. Ich wollte nur ein bisschen Luft schnappen.
    Doch die beiden Männer waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie Warja nicht bemerkten, so dass sie einen Teil mit anhörte.
    »Ein Glück nur, dass der Chef gerade auf einer Safari ist«, sagte Radtschenko erregt. »Er dreht mir den Hals um, wenner das erfährt. Was soll ich bloß machen? Was soll ich machen, Mann?«
    »Moment mal, das verstehe ich nicht, du bist doch Profi. Sag bloß, du kannst echte Markenklamotten nicht von chinesischem Fake unterscheiden?«, fragte Pjotr mit hinterhältigem Spott.
    »Der Fake war klasse gemacht, Firmenschilder und alles Drum und Dran absolut echt. Bis zur ersten Wäsche, da läuft das Zeug ein oder fällt ganz auseinander.«
    »Und der Preis?«
    »Ich hab die ganze Partie zum Höchstpreis gekauft, wie echtes Chanel«, stöhnte Radtschenko. »Und auf allen Papieren und Lieferscheinen ist meine Unterschrift.«
    »Na und, was machst du dir solche Sorgen?« Pjotr klopfte ihm auf die Schulter. »Ist doch nicht deine Schuld, du bist reingelegt worden.«
    »Was soll der Chef mit einem Geschäftsführer, der sich so reinlegen lässt?«, schrie Radtschenko und griff sich an den Kopf. »Für ihn gibts nur zwei Varianten: Entweder, ich bin ein Idiot, dann schmeißt er mich einfach raus, oder ich bin ein Dieb, dann bringt er mich um. So siehts aus. Etwas Drittes gibt es nicht.«
    »Tja, das sieht übel aus. Aber mach dir nichts draus, es gibt Schlimmeres. Vor ein paar Wochen sind in einem Einkaufszentrum im Stadtzentrum gleich zwei Geschäfte in die Luft geflogen. Ein kleiner Scherz von rotznasigen Extremisten, hieß es. Und letzten Monat ist im Möbelsalon an der Ringstraße ein halbes Kilo TNT hochgegangen. Das warn angeblich Tschetschenen. Ist direkt in Mode gekommen, Läden in die Luft zu jagen.« Pjotr legte Radtschenko die Hand auf die Schulter. »Mach dir also keinen Kopf.«
    Radtschenkos Antwort konnte Warja nicht mehr hören, die beiden waren schon zu weit weg. Sie sah nur, wie sie stehenblieben und Radtschenko in die Innentasche seines Jackets griff. Radtschenko war offensichtlich kein Idiot, imGegenteil. Er zahlte Pjotr einen Vorschuss. Nach einer Weile drehten die beiden Männer um und gingen zurück zum Restaurant. Warja versteckte sich rasch und hörte das Ende ihres Gesprächs.
    »Kein Problem, Hauptsache, du hast es flüssig, wenn der Auftrag erledigt ist. Jemand wird dich anrufen, dir einen Gruß von mir ausrichten und ein Treffen mit dir vereinbaren.«
    »Wer denn? Das muss ich wissen, bei der Summe …«
    Sie betraten die Terrasse, und Warja hörte nichts mehr.
    Damals, vor einer Woche, hatte sie dem Ganzen keine besondere Beachtung geschenkt. Sie wusste zwar, dass Pnyrja es nicht leiden konnte, wenn seine Leute sich nebenbei auf eigene Faust etwas verdienten, aber sie hatte keine Beweise gegen Pjotr.
    Nun wusste sie, dass sie nicht umsonst ein solches Risiko eingegangen war. Pnyrjas einziger Neffe war getötet worden. Jetzt besaß sie genügend Informationen, um in ihrem eigenen Interesse zu handeln.
    Sie nahm den dünnen Seidenschal vom Hals, warf ihn sich über den Kopf und betrat die Kirche, wo der aufgeregte Radtschenko sie vor der Ikone des Wundertätigen Pantelejmon erwartete. Außer ein paar alten Frauen, die nach dem Abendgottesdienst saubermachten, war niemand in der Kirche. Warja kaufte fünf Kerzen, schritt bedächtig die Reihe der Ikonen ab, blieb vor der rechten Vorhalle kurz stehen, suchte Radtschenkos Blick und wies mit einem Kopfnicken auf die offene Tür. Aus der Vorhalle gelangte man in den hinteren Kirchhof, und von dort konnte man durch eine Pforte unbemerkt verschwinden.
    »Ich hab geahnt, dass Sie das sind«, flüsterte Radtschenko, als er zu ihr kam.
    »Wir müssen hier weg«, zischte Warja, »Sie werden verfolgt. Ein schwarzer Wolga mit Antenne.«
    Er starrte sie aus erschrockenen runden Augen an. Warja packte seine feuchte Hand und zog ihn nach draußen. Siewaren schon auf dem Hof, als in der Kirche eine wütende Greisinnenstimme rief: »So was Schamloses! In Unterhosen in ein Gotteshaus! Raus hier, los, raus, sag ich!«
    Warja riss so heftig an Radtschenkos Hand, dass er beinahe gestürzt wäre. Sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer da in Shorts, von der Alten als Unterhosen bezeichnet, in die Kirche gestürmt war.

Dreiunddreißigstes Kapitel
    Durch das Zugfenster die

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