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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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bestimmt nur Kreditkarten, seinen Pass und Fotos der lieben Familie. Ein Ausländer ohne Pass, das ist schlimm. Aber so – zweihundert Dollar aus der Tasche geklaut, na und, das wird er überleben.«
    »Wieso bist du gerade auf ihn gekommen?«
    »Ich hab gesehen, wie er einen Packen Geld rausgeholt hat, er wollte eine Matrjoschka kaufen, hat es sich dann aber anders überlegt und das Geld wieder weggesteckt.«
    »Schwör mir, dass es das erste und letzte Mal war.«
    »Klar doch, Schwesterchen. Ich weiß, Stehlen ist nicht schön.«
    Das Hauptgericht wurde gebracht. Das Hähnchenkotelett erfüllte alle Erwartungen, es sah genauso aus wie auf dem Bild in dem alten Kochbuch. Als Dessert bestellten die Mädchen Obstsalat, warmen Apfelkuchen und Kaffee, dann zahlten sie und gingen. Der Fotograf Nikolai wohnte ganz in der Nähe, und bis zum verabredeten Termin blieben noch vierzig Minuten.
     
    Der Gerichtsmediziner erklärte in seinem Gutachten, der Tod von Lilja Kolomejez sei durch eine Stichwunde im Herzen eingetreten. Allerdings sei ihr diese Stichwunde, ebensowie die übrigen, nicht mit dem breiten Küchenmesser beigebracht worden, das neben dem Leichnam auf dem Boden gelegen hatte. Die Klinge der Mordwaffe war schmal, vielleicht eine selbstgefertigte Ahle. Doch das sei nur eine Vermutung. Möglicherweise habe der Täter auch eine Art Dolch mit schmaler, rhombenförmiger Klinge benutzt.
    Im Körper der Toten wurde kein Clonidin gefunden, keinerlei Drogen oder Gift, nichts, was das Opfer gehindert hätte, zu schreien oder sich zu wehren. Überhaupt war Lilja Kolomejez bei bester Gesundheit gewesen, hatte nicht geraucht und nicht getrunken.
    »So gesunde Menschen trifft man heutzutage selten. Sie hätte noch fünfzig Jahre leben können«, sagte der Gerichtsmediziner mürrisch zu Borodin. »Aber was ist Ihnen eigentlich unklar?«
    Er wollte nach Hause, er war müde, er dachte an die bevorstehenden zwei freien Tage und überlegte, ob er gleich heute auf die Datscha fahren oder den Abend lieber allein zu Hause verbringen sollte, auf der Couch vorm Fernseher, mit einem kalten Bier und einer Packung gesalzener Erdnüsse. Er verspürte wenig Lust, nach der langen, anstrengenden Arbeitswoche ohne Atempause sofort in seinen familiären Bienenstock zu geraten, auf die engen sechshundert Quadratmeter, wo er den Garten umgraben, irgendwas sägen und reparieren und sich mit seiner Schwiegermutter unterhalten musste. Er hatte schon endgültig entschieden, sich einen stillen, erholsamen Abend vorm Fernseher zu gönnen, als er im Flur vor dem Umkleideraum den Untersuchungsführer Borodin entdeckte, einen kleinen, dicken Mann mit gepflegten grauen Koteletten, in heller Hose und gestreiftem Baumwollhemd. Borodin hielt eine Mappe in der Hand und lächelte entschuldigend.
    »Tut mir leid, ich weiß, Sie sind müde und wollen nach Hause. Ich werde Sie nicht lange aufhalten. Sie haben hier nicht erwähnt, ob Sie außer den Messerstichen noch andere Verletzungen festgestellt haben.«
    »Richtig, das habe ich nicht«, knurrte der Pathologe, »außer den Messerstichen war da nichts. Ich habe Ihnen doch gerade erklärt, die Frau war vollkommen gesund und kräftig.«
    »Sie war also sofort tot?«
    »Was denn sonst, bei einem Messerstich ins Herz?«
    »Das weiß ich nicht. Ich bin kein Experte. Der Experte sind Sie, darum frage ich Sie. Konnte sie noch schreien oder nicht? Verstehen Sie, das ist mir sehr wichtig.« Borodin stand sanft und entschuldigend lächelnd vor dem Pathologen, und der begriff, dass der Kriminalist keine Ruhe geben würde, bis er ihn vollkommen ausgequetscht hatte. »Kann sie geschrien oder sich gewehrt haben oder nicht?«, wiederholte Borodin hartnäckig.
    »Natürlich kann sie das«, knurrte der Pathologe, »der Mensch schreit gewöhnlich und wehrt sich, wenn man ihn absticht.«
    »Nein, ich meine, hatte sie genug Zeit, wenigstens ein paar Sekunden, oder war sie sofort tot?«
    »Ja, eine Minute hatte sie bestimmt. Vielleicht auch mehr. Der Stich ins Herz war im Prinzip nicht tödlich, er hat nur die rechte Herzkammer getroffen, aber wenn man die Gesamtzahl der Messerstiche bedenkt, ist das Bild absolut klar. War das alles?«
    »Fast.« Borodin nickte friedlich. »Aber stellen Sie sich dieses absolut klare Bild einmal vor, achtzehn Messerstiche. Das Opfer ist eine gesunde junge Frau, nicht betrunken, nicht unter Drogen. Kann so etwas in völliger Stille geschehen? Kann jemand sie ganz leise getötet haben?«
    »Wieso?«

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