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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Händler, Aufkäufer und Straßenmaler, auch die Bettler zahlen einen Tribut an die Milizund haben ein kriminelles »Dach«. Iras unschuldige Vorstellung konnte unangenehme Folgen haben.
    »Spinnst du!« Sweta riss die Schwester von dem Ausländer los. Die Milizionäre überprüften merkwürdigerweise zuerst den Ausweis des Männchens mit der Schirmmütze. Wahrscheinlich, weil er noch immer fluchte und den ganzen Arbat zusammenschrie.
    Dieser Augenblick genügte den Schwestern, um in einer Seitengasse zu verschwinden.
    »Hör mal, Ira, ich warne dich zum letzen Mal, wenn du deine dummen Scherze nicht lässt, dann…« Sie hatte keine Ahnung, was sie dann tun wollte, und das machte sie noch wütender. »Kapierst du überhaupt, wie das enden kann? Früher oder später erfahren unsere Leute, was du treibst, und lassen uns nicht mehr in die Stadt.«
    »Schon gut, komm jetzt. Ich hab einen Mordshunger.«
    Vor der Glastür eines kleinen, sichtlich teuren Lokals blieben sie stehen. Noch ehe Sweta etwas sagen konnte, griff ihre Schwester schon nach der Türklinke. Ein Glöckchen klingelte, sie standen in einem halbdunklen spiegelblanken Foyer, und eine gepflegte Dame in weißer Bluse und schwarzem Rock kam auf sie zu.
    »Guten Tag, möchten Sie speisen oder nur einen Kaffee trinken?« Die Dame lächelte sie an, als wären sie liebe Verwandte. Sweta machte ein saures Gesicht. Sie war überzeugt, dass Ira nun endgültig übergeschnappt war.
    »Nein, wir… Entschuldigen Sie«, murmelte sie, packte die Hand der Schwester und versuchte, sie aus dem sauteuren Laden zu ziehen.
    »Wir möchten gern etwas essen«, verkündete Ira bescheiden und stieß der Schwester unauffällig, aber schmerzhaft den Ellbogen in die Seite.
    »O mein Gott!« stöhnte Sweta, als sie am Tisch saßen. »Meinst du etwa, du kommst hier raus, bevor sie die Rechnung bringen? Was denkst du dir eigentlich?«
    »Ich nehme das Hähnchenragout. Und du?« Ira sah von der Speisekarte auf und schaute die Schwester fragend an. »Vielleicht ein wenig roten Kaviar als Vorspeise? Ach nein, lieber schwarzen.«
    »Hör auf, mich zu verarschen«, sagte Sweta langsam und fühlte, wie ihr Gesicht rot anlief. »Wir werden hier nicht rauskommen, wir landen bei der Miliz. Und die rufen dann in Lobnja an, Mama Isa kommt her und zahlt, und den Rest kannst du dir selber ausmalen. Ich hab Angst, Ira. Komm, lass uns aufstehen und gehen, bevor es zu spät ist. Wir entschuldigen uns, sagen, wir hätten das Geld zu Hause vergessen, und verschwinden.«
    »Haben wir denn das Geld zu Hause vergessen?«
    Ira klapperte mit den Wimpern, langte in ihre Tasche und zog ein dickes Bündel mit einem Gummi umschnürter Hundertrubelscheine hervor, schlug es gegen ihre Hand, zwinkerte und flüsterte: »Ich hab den amerikanischen alten Sack schließlich nicht umsonst abgeküsst. Für alles muss man zahlen. Er hat für meine Zärtlichkeit bezahlt.«
    Sweta wurde schwindlig. Das Bündel enthielt mindest tausend Rubel. Ira steckte das Geld wieder weg. Ein Kellner mit Fliege trat an den Tisch und erwartete schweigend ihre Bestellung.
    »Also, als Vorspeise bitte eine Fischplatte, Krabbensalat und eine Portion schwarzen Kaviar. Und als Hauptgericht – können Sie das Hähnchenragout empfehlen?«
    Der Kellner nickte. Sweta betrachtete die Schwester mit einer Mischung aus Entsetzen und Bewunderung. Sie saßen zum ersten Mal in einem Restaurant, aber Ira benahm sich, als speiste sie jeden Tag in derartigen Etablissements.
    »Sweta, nimmst du auch das Hähnchenragout?«
    »Ich möchte das Kiewer Hähnchenkotelett«, flüsterte Sweta und schluckte krampfhaft.
    Als sie neun Jahre alt war, hatte sie in der Heimbibliothek ein Kochbuch gefunden, es mitgenommen und unter ihrerMatratze versteckt. Manchmal blätterte sie heimlich darin, schaute sich die bunten Bilder an und las die Beschreibungen der Speisen. Am meisten reizte sie das Kiewer Hähnchenkotelett mit der Papierrose außen drum und der schmelzenden Butter innen drin.
    Die Vorspeisen wurden sofort serviert. Die Schwestern waren so hungrig, dass sie alles im Nu herunterschlangen. Vor dem Hauptgericht rauchten sie, und Sweta fragte flüsternd: »Und wenn er es gemerkt hätte?«
    »Wenn ein normaler Typ von einem schönen Mädchen umarmt wird, bemerkt er gar nichts außer ihren Reizen«, erwiderte Ira lächelnd. »Ich hätte ihm auch die Brieftasche abnehmen können, die steckte in der Innentasche. Aber so blöd bin ich nicht. In der Brieftasche hat er

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