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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Der Sachverständige verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf.
    »Die Wände in dem Haus sind sehr dünn, und die Nachbarn haben nichts gehört«, erklärte Borodin mit einem leichten Seufzen.
    »Tja, ich weiß nicht, vielleicht haben sie ferngesehen, Radio gehört oder geschlafen. Was wollen Sie eigentlich von mir?«
    »Ich möchte, dass wir uns gemeinsam noch einmal ansehen, ob der Körper der Toten wirklich keinerlei Spuren eines den Messerstichen vorangegangen betäubenden Schlags aufweist.«
    »Schön, dann sehen wir uns das an«, sagte der Pathologe resignierend, »aber ich habe wirklich keine Ahnung, was das soll.«
    Er rauchte am Fenster eine Zigarette, während Borodin Kopf und Hals der Toten untersuchte.
    »Können Sie mal kurz herkommen, Kirill?«, rief Borodin leise. »Hier, sehen Sie sich das an. Was meinen Sie, was ist das?«
    Er zeigte auf einen länglichen dunkelroten Fleck am Hals der Toten. Der Pathologe schwieg eine Weile, seufzte tief und sagte mit einem schiefen Blick zu Borodin: »Na ja, vermutlich ein Bluterguss.«
    »Vermutlich oder sicher?«
    »Hören Sie, ich verstehe nicht, verlangen Sie etwa ein neues Gutachten?« Der Pathologe hob die Stimme. »Dann beantragen Sie das in aller Form.«
    »Nein, nein, ich verlange kein neues Gutachten.« Borodin schüttelte den Kopf und setzte nach kurzem Zögern hinzu: »Vorerst jedenfalls nicht. Im Moment brauche ich von Ihnen nur eine fachmännische Auskunft. Der Tathergang ist mir nicht ganz klar.«
    »Auf die Frau wurde achtzehnmal mit einem Messer eingestochen. Reicht Ihnen das nicht?«
    »Das reicht mir.« Borodin schenkte dem Pathologen ein warmes, strahlendes Lächeln. »Ich will bloß herausfinden, warum sie nicht geschrien und sich nicht gewehrt hat. Und nun haben wir beide sie uns noch einmal gründlich angesehen und einen Bluterguss entdeckt. Eine solche Spur könnte, wenn ich nicht irre, von einem Schlag mit einem stumpfen Gegenstand stammen, einer Handkante zum Beispiel. Hier« – er tippte mit dem Finger gegen seinen eigenen rosigen Hals – »verläuft die Schlagader.«
    »Aber das könnte ebenso gut ein Muttermal sein«, knurrte der Pathologe, »oder glauben Sie, Ihre Schwachsinnige ist in Wirklichkeit Jean-Claude van Damme?«
    »Wie bitte? Van Damme? Wer ist das?« Borodin beugte sich vor, legte den Kopf auf die Seite und sah nun aus wie ein sprechender alter Papagei. Der Pathologe musste lachen. Borodin zog erstaunt die Brauen hoch und flüsterte rasch: »Was für ein ansteckendes Lachen, Kirill. Ich verstehe, das sind die Nerven.«
    Der Pathologe beruhigte sich, räusperte sich und fragte in vertraulichem Ton: »Verzeihung, Ilja, Sie machen sich über mich lustig, ja? Oder wissen Sie wirklich nicht, wer Jean-Claude van Damme ist?«
    »Ein berühmter Sportler?«
    »Ein Filmstar, der Held der tollsten amerikanischen Actionfilme.«
    »Aha.« Borodin nickte zerstreut. »Das heißt, Sie meinen, den Schlag gegen die Schlagader hat jemand ausgeführt, der Karate beherrscht?«
    »Ja, und zwar ziemlich gut. Im Prinzip kann ein solcher Schlag tödlich sein. Und überdies wäre die Todesursache schwer nachzuweisen. Aber wozu dann die achtzehn Messerstiche?«
    »Sie schließen also nicht aus, dass die Stiche dem Opfer nach dem Tod beigebracht wurden?«
    »Das lässt sich nicht genau feststellen, dazu ging das Ganze zu schnell. Hören Sie, Ihre Verdächtige ist schließlich eine Psychopathin. Sie hat ihre Tante ausgeknipst und dann auf sie eingestochen, bloß so, zum Vergnügen. Haben Sie übrigens die Mordwaffe gefunden?«
    »Nein.«
    »Donnerwetter!« Der Pathologe stieß einen Pfiff aus. »Und was sagen die Psychiater zu Ihrer Verdächtigen? Vielleicht spielt sie ja bloß Theater?«
    »Danke«, sagte Borodin, »eine schöne Theorie. Nein, Simulationschließen die Psychiater aus. Das Mädchen ist wirklich von Geburt an behindert, sie ist debil.«
    »Schade, schade.« Der Pathologe wiegte den Kopf. »Womöglich wird der Fall nie gelöst. Dabei sah alles so klar aus. Nun müssen Sie wohl nach einem Mörder mit Karate-Erfahrung suchen.«
    Borodin nickte. »Ja, das müssen wir wohl.«

Viertes Kapitel
    Oleg Solodkin hatte sich einen Schuss gesetzt, und die grausamen Zweifel ließen von ihm ab. Wozu sich quälen, dachte er fröhlich. Ja, ich bin drogensüchtig. Aber es ist doch eine Tatsache, dass alle Genies drogensüchtig waren. Byron hat Opium geraucht und war Epileptiker. Maupassant war morphiumabhängig. Edgar Allan Poe wurde im Drogenrausch

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