Das Haus der bösen Mädchen: Roman
Theaters.
Gleich nach der Schule begann Oleg Solodkin ein Studium an der Fakultät für Drehbuchautoren der Filmhochschule. Heldinnen seiner Phantasieprodukte waren jetzt die schönsten Mädchen, künftige Filmstars. Auf seinen Schreibmaschinenseiten bestürmten sie das Telefon des Helden, belagerten frierend seine Haustür und standen Schlange, um sich ihm hinzugeben. Und er ließ sich zu ihnen herab, beglückte sie mit seinen derben männlichen Umarmungen.
Oleg war mit seinen achtzehn Jahren noch immer unberührt; ein unerträglicher und beschämender Zustand. Er hasste seine Unschuld ebenso wie einst die Geige. Doch für sie konnte er kein rituelles Feuer anzünden, und er wusste nicht, was tun. Er gab Partys in seiner riesigen Wohnung, seine Kommilitonen und Kommilitoninnen kamen gern, darunter die hübschesten Mädchen, aber wenn sich nach dem gemeinsamen Essen und dem Tanzen bei gedämpftem Licht alle auf die Zimmer verteilten, saß er am Ende stets allein da. Dann folgte der graue Morgen voller Zigarettengestank und schmutzigem Geschirr. Oleg verkroch sich in seinem Zimmer, rauchte, bis ihm übel wurde, und beschrieb Brüste und Hintern. Auf dem Papier vergewaltigte er brutal jedes der Mädchen vom Vorabend, doch das war kein wirklicher Trost.
Im November mussten die Studenten des zweiten Jahrgangs zur Kartoffelernte in einen Kolchos bei Moskau. In den ungeheizten Baracken eines Pionierlagers tranken sie Portwein und erlebten rasche, leidenschaftliche Affären. Dort geschah es endlich.
Sie hieß Lena, studierte Schauspiel und konnte nur auf Charakterrollen hoffen. Sie war groß und schlaff, hatte ständig fettiges Haar, stets eine Papirossa im Mundwinkel, einverschlafenes, zerknautschtes Gesicht und eine riesige, formlose Brust, die sie nie in einen BH hüllte. Bei einer der Portwein-und-Gitarren-Partys griff sie wortlos nach Olegs Hand und zog ihn in ein leeres Zimmer. Das Ganze ging in völligem Schweigen vor sich. Lena roch nach Schweiß, Tabak und Alkohol. Sie entkleidete ihn so geschickt wie eine Krankenschwester einen Gelähmten. Er begriff nicht sofort, dass jetzt, in diesem Augenblick, geschehen sollte, wovon er schon so lange und verzweifelt träumte und was er so ausführlich und auf dem Papier leidenschaftlich beschrieb. Allerdings spielte nicht er die Hauptrolle, sondern sie. Sie nahm ihn beinahe mit Gewalt, grob, herrisch und geübt.
Natürlich hatte er sich etwas anderes gewünscht. In seinem Jahrgang an der Drehbuchfakultät gab es eine gewisse Mascha, die er noch nie in den Strom seiner literarischen Offenbarungen getaucht hatte, die er nur hin und wieder während der Vorlesungen heimlich betrachtete: Ein kleines Gesicht mit hohen Backenknochen, ein großer, weicher Mund, leuchtende blaue Augen, hellbraunes glattes Haar – eigentlich nichts Besonderes, an der Schauspielfakultät gab es jede Menge echte Schönheiten. Doch wenn er Mascha heimlich beobachtete, während der Vorlesungen, in der Raucherecke oder in der Mensa, stockte ihm das Herz. Einmal brachte er den Mut auf, sie zu einer Party bei sich einzuladen. Sie lehnte höflich und gleichgültig ab.
Im Chor der Stimmen hinter der Wand vernahm Oleg Maschas Lachen, schloss die Augen und versuchte in Gedanken, die beiden Frauen gegeneinander auszutauschen – vergebens. Hinter der Wand lachte Mascha noch immer über einen Witz. Wieder hatte sie ihn abgewiesen, höflich und gleichgültig. Aber dafür war nun Lena stets zur Hand. Nach wie vor schwärmte er für Mascha, was er sogar vor sich selbst verheimlichte, und heiratete Lena.
Dann verfolgte ihn Maschas Bild viele Jahre lang, tauchte hin und wieder in der Menschenmenge auf und narrte ihn.Manchmal betrachtete er, in seinem Zimmer eingeschlossen, die alten Fotos aus der Studienzeit und gestand sich verärgert ein, dass er das nur tat, um seine Erinnerung an das kleine Gesicht mit den hohen Wangenknochen und den hellen, von kohlrabenschwarzen Wimpern gerahmten Augen aufzufrischen.
Mascha wurde eine erfolgreiche Drehbuchautorin. Er entdeckte ihren Namen im Abspann einiger guter Filme, begegnete ihr bei Filmpremieren und wusste, dass sie geheiratet und zwei Kinder geboren hatte, einen Jungen und ein Mädchen. In seinem Telefonbuch stand eine Nummer, unter der er sie anrufen und ihre Stimme hören konnte, und manchmal tat er das und schwieg in den Hörer.
Von Lena ließ er sich bald scheiden, dann folgte eine ganze Reihe von Frauen. Er wusste über sie nur eines: Was sie lockte, waren
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