Das Haus der bösen Mädchen: Roman
wie feuchter Ton, den sie nur in die richtige Form bringen musste, um dann dem einzigartigen Kunstwerk Leben einzuhauchen.
Sie brachte ihrer Schwiegertochter bei, wie man lief, redete, sich frisierte, Kleider in teuren Boutiquen und Lebensmittel auf dem Markt auswählte, wie man ein Kind kleidete und vor allem, wie man Oleg richtig behandelte.
Oleg ist manchmal ein bisschen seltsam, wie alle kreativen Menschen. Er ist ganz in sich selbst versunken, in seine Gedanken und Phantasien, in seinen schöpferischen Prozess sozusagen. Ja, er hat eine ganze Reihe von Krankheiten – Bluthochdruck, Hirndruckstörungen und schwache Nerven. Er hat sich einfach nie geschont, und die viele geistige Arbeit zehrt eben an den Nerven. Darum muss er nun Medikamente nehmen, und einige Präparate haben leider unangenehme Nebenwirkungen.
Das Wort »Drogen« war bei den Solodkins tabu. Das, was Oleg haufenweise einnahm und sich in die Venen spritzte, hieß »Präparate«. Galina ignorierte den langjährigen Drogenkonsum ihres einzigen Sohnes hartnäckig. Xenia hätte das auch gern getan, aber Oleg versuchte immer wieder, sie ebenfalls an die Nadel zu bringen, indem er erklärte, sonst würden sie sich nie richtig verstehen.
Am Abend zuvor hatte er Besuch gehabt, den Fotografen Nikolai und zwei vollkommen identisch aussehende blonde Mädchen. Xenia kannte die beiden aus dem Video, sie hatten sich unter Aufsicht der eleganten Dame mit dem roten Hut auf der sonnigen Wiese amüsiert.
Die Mädchen hatten einen Striptease mit Musik veranstaltet, erst im Esszimmer, dann auf der Veranda. Nikolai hatte sie in verschiedenen Posen fotografiert, bis früh um vier hatte die Musik gedröhnt, und Mascha hatte geweint und nichteinschlafen können. Ab und zu waren sie zu Xenia nach oben gekommen und hatten sie belästigt.
»Wieso machst du so ein saures Gesicht? Entspann dich, amüsier dich, Kleines! Du weißt einfach nicht, was ein echter Kick ist. Komm, einen kleinen Druck, und du bist ein anderer Mensch.«
Xenia bat sie zu gehen und keinen Lärm zu machen. Sie entschuldigten sich mit höhnischer Höflichkeit und gingen. Dann dröhnte die psychedelische Musik noch lauter herauf. Mascha, erschöpft vom Weinen, war auf Xenias Arm eingeschlafen. Xenia saß da, rührte sich nicht, fühlte, wie ihr Kind im Schlaf zitterte, und wusste nicht, was sie tun sollte.
Nach einer halben Stunde kamen die beiden Mädchen wieder hoch, zusammen mit Oleg, der bereits vollkommen weggetreten war. Vor Xenias Augen umarmten sie ihn, rollten schmachtend mit den Augen und flüsterten ihm Anzüglichkeiten ins Ohr. Mascha wachte auf und fing an zu weinen, Oleg entriss Xenia das Kind und schüttelte es, den besorgten Vater parodierend. Eines der Mädchen kroch auf allen Vieren zu Xenia, jammerte: »Uah, uah, Mamotschka, gib mir die Brust!«, und umklammerte Xenias Beine, weil sie Oleg das Kind wegnehmen wollte. Das andere Mädchen sprang auf einen antiken Schachtisch, stieß einen Stapel sauberer Babysachen herunter und knöpfte sich langsam die Bluse auf.
Xenia hätte schwören können, dass die Mädchen nicht gefixt und aussschließlich Saft und Wasser getrunken hatten. Sie sah ihre Augen – sie waren dreist und vollkommen nüchtern. Zu schreien: »Aufhören! Verschwindet!« war sinnlos. Oleg hatte genug von der Rolle des komischen Papas und warf Mascha achtlos auf das Sofa. Ihre Lippen waren vom Schreien schon ganz blau; Xenia presste das Kind an sich und schaukelte es auf dem Arm.
Endlich verließen die Mädchen das Zimmer und nahmen auch Oleg mit. Draußen begann bereits ein klarer, warmerMorgen, und die Vögel sangen. Xenia war furchtbar müde. Im Halbschlaf hörte sie einen Motor brummen, eine fremde Männerstimme, Türenschlagen, das Knirschen von Kies unterm Fenster und Mädchenlachen. Dann wurde es endlich ganz still, bis auf das freudige Vogelzwitschern. Xenia wollte eigentlich aufstehen, hinuntergehen, sich die Zähne putzen, sich dann ausziehen und ins Bett gehen. Aber sie hatte nicht mehr die Kraft, die Augen zu öffnen.
»Verdammt, wo ist denn deine Vene?«
Sie kämpfte sich durch eine zähe Schicht Schlaf, sprang auf und warf dabei den Schaukelstuhl um. Die Morgensonne brannte in den Augen, und außer dem Umstürzen des leeren Korbstuhls ertönte ein weiteres Geräusch, dumpf und weich. Sie sah den nackten Oleg auf dem Boden liegen. In der Hand hielt er eine mit einer trüben Flüssigkeit gefüllte Spritze.
»Drehst du jetzt völlig durch!«, rief Xenia
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