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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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hasste. Wegen guter Führung wurde sie vorzeitig entlassen. Entschlossen, nicht zu dem verhassten Gewerbe zurückzukehren, ging sie wieder nach Katuar, doch in ihrer Wohnung lebten inzwischen Fremde. Ihre Mutter war gestorben und der Vater nach der Entlassung einfach ferngeblieben. Sie konnte nur zurück auf die Twerskaja.
    Im Januar 1995 war Marina auf ihrem Posten an der Metrostation »Majakowskaja« in der Reihe geduldig wartender Gefährtinnen so durchgefroren, dass sie selbst über den scheußlichsten Kunden froh gewesen wäre, Hauptsache, er nahm sie mit ins Warme. Autos hielten, Männerköpfe schauten aus den Wagenfenstern, Augen glitten langsam über Beine in dünnen Strumpfhosen und Gesichter, die unter dem Make-up ganz blaugefroren waren. Das Geschäft lief schlecht. Die Kälte ließ die Mädchen wenig verlockend aussehen. Marina hatte Glück. Ein bescheidener grauer Shiguli hielt, ein ziemlich normal aussehender Mann schaute heraus, winkte Marina heran, einigte sich mit dem herbeigeeilten Zuhälter über den Preis für die Nacht, und Marina schlüpfte in den warmen Wagen.
    Während der ganzen Fahrt sagte er kein Wort. Aus der Musikanlage dröhnte Hardrock. Er fragte Marina weder nach ihrem Namen, noch nannte er seinen. Aber das war ihr gleichgültig. Nach einer langen Fahrt hielten sie in Tuschino vor einem neuen Zwölfgeschosser und gingen schweigend hinein. Im Lift musterte sie sein ganz normales, ja sympathisches Gesicht. Er wirkte wie höchstens fünfundzwanzig.
    Sie betraten eine winzige Einzimmerwohnung. Es roch nach indischen Düften, an den Wänden hingen düstere rotschwarze Tapeten und furchteinflößende afrikanische Masken.
    »Geh dich duschen, wasch dir das ganze Make-up ab«, befahl er, »und zieh die Sachen an, die auf der Waschmaschine liegen.«
    Im schwarz gefliesten Bad lag ein ordentlicher Kleiderstapel. Marina entfaltetete ihn und schrie leise auf. Ein langes schwarzes Kleid aus grobem Stoff, ein schwarzes Tuch, eine schwarze Mütze, die aussah wie eine Zwiebelkuppel. Klingend fiel etwas auf den Fliesenboden – Marina bückte sich und hob ein großes silbernes orthodoxes Kreuz an einer dicken Kette auf.
    Was dann geschah, als sie das düstere Zimmer betrat, daran dachte sie lieber nicht zurück. Unter ihren Kunden warenschon mal Verrückte, die sie zwangen, ein Hundehalsband aus Metall zu tragen, Handschellen oder Beinfesseln oder die ihr eine Peitsche in die Hand drückten, sich auspeitschen ließen und daraus Lust zogen; manchmal musste Marina auch eine alte Schuluniform anziehen – braunes Kleid, schwarze Schürze, rotes Halstuch. Aber weit häufiger waren die üblichen Unannehmlichkeiten. Ein Kunde nahm sie mit, und in der Wohnung waren plötzlich mehrere Kerle, die alle bedient werden mussten.
    Mit einem echten Sadisten hatte Marina noch nie zu tun gehabt und stets gehofft, dass das auch so bliebe.
    Er warf sie auf den Boden, klebte ihr blitzschnell den Mund mit einem Pflaster zu und trat wortlos mit den Füßen auf sie ein. Als sie sich zu wehren versuchte, schlug er ihr einen schweren, dumpfen Gegenstand auf den Kopf, und ein rosa Nebel verschleierte ihre Augen. Er unterbrach sich nur kurz, um die Kassette umzudrehen, dann machte er weiter. Er schlug sie, vergewaltigte sie, schlug sie erneut, drückte Zigaretten auf ihrem Körper aus – bei all dem sagte er kein einziges Wort und schaute ihr aufmerksam in die Augen. Wie lange das dauerte, wusste sie nicht. Irgendwann riss er das Pflaster ab, schob ihr einen Metalltrichter in den Mund und goss Wodka hinein. Marina verschluckte sich, hustete, er hob sie hoch, schüttelte sie und warf sie wieder zu Boden wie eine Stoffpuppe. Das Letzte, was sie spürte, war ein grässlicher Schmerz, der ihr die Wange zerriss.
    Als sie wieder zu sich kam, war es vollkommen still und dunkel. Sie hörte Wasser aus einem Hahn tropfen und ganz in der Nähe hin und wieder ein Auto vorbeifahren. Sie konnte nicht aufstehen, kroch durchs Zimmer und stellte bald fest, dass sie in der Wohnung allein war. Ihr Körper war ein Klumpen heftigen, pulsierenden Schmerzes, besonders weh taten Bauch und Wange. Ein Telefon gab es in der Wohnung nicht. Die Tür war von außen abgeschlossen, und vor dem Fenster erstreckte sich ein verschneites Brachland.
    Sie trank Wasser aus dem Hahn und betrachtete die schlimme Wunde auf der Wange. Das halbe Gesicht war rot und geschwollen. Damit die Wunde nicht eiterte, musste sie desinfiziert werden, doch in der Wohnung fand sich

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