Das Haus der bösen Mädchen: Roman
Galina das Geld aufbewahrte, war ihr ohnehin unbekannt, und die Schmuckschatulle stand auf dem Toilettentisch. Xenia wusste, dass sie zahlreiche Ringe, Ohrringe und andere Schmuckstücke mit wertvollen Steinen enthielt, sie wusste sogar, dass die Schatulle ein raffiniertes Schloss hatte. Nach einem flüchtigen Gedanken an Fingerabdrücke versuchte sie vorsichtig, die Schatulle zu öffnen. Der Deckel gab mühelos nach. Edelsteine glitzerten. Auf den ersten Blick konnte Xenia nicht feststellen, ob etwas fehlte und was. Die Schatulle war fast voll. Doch das Schloss war wohl aufgebrochen worden, denn die ordentliche Schwiegermutter hatte es bei ihrer Abreise bestimmt nicht offen gelassen.
Xenia ging zurück in den Flur, wo die drei Männer gemächlich rauchten und achtlos aufs Parkett aschten, und sagte über das Geld und den Schmuck, was sie darüber sagen konnte. Aus dem Zimmer drang Maschas klagendes Weinen.
»Entschuldigen Sie, ich muss Sie hochnehmen, ich kann nicht denken, wenn sie weint. Aber gehen Sie doch bitte hier hinein, ins Wohnzimmer.« Sie lief Mascha holen, wickelte sie hastig in eine Decke und ging wieder zu den Milizionären. Sie saßen in den Sesseln um den kleinen Tisch.
»Der Einbrecher hatte also einen Schlüssel?«, fragte der Mann in Zivil, der Älteste und vermutlich Ranghöchste.
»Sieht so aus.« Xenia nickte.
»Außer Ihnen und Ihrem Kind wohnen hier noch Ihr Mann und Ihre Schwiegermutter?«
»Ja.«
»Wo sind sie im Augenblick?«
»Meine Schwiegermutter macht Urlaub in Frankreich, mein Mann ist auf der Datscha.«
»Kennen Sie alle Bekannten Ihres Mannes?«
»Nein, nicht alle. Wir sind erst seit einem Jahr verheiratet.«
»Verstehe. Sie leben also zusammen. Wie ist denn das Verhältnis zu Ihrer Schwiegermutter?«
»Normal. Aber was tut das jetzt zur Sache?«
»War nur eine Frage. Wie alt ist Ihr Mann?«
»Vierzig.«
»Aha, interessant. Warum sind Sie mit dem Kind eigentlich nicht auf der Datscha? Bei der Hitze in der Stadt?«
»Ich musste mit meiner Tochter zum Arzt«, log Xenia, krampfhaft schluckend. »Aber ich verstehe nicht ganz, wieso fragen Sie nach unserem Alter und unserer Beziehung?«, erkundigte sie sich leise, doch der Milizionär ignorierte das und fragte nachdenklich: »Was meinen Sie, kann dieser Mann nicht einfach ein Bekannter Ihres Mannes gewesen sein, dem er einen Schlüssel gegeben hatte, ohne Ihnen etwas davon zu sagen?«
»Das dachte ich zuerst auch«, antwortete sie, wandte sich ab und gab Mascha die Brust. Der Anblick des eingefallenen, blassen kleinen Gesichts und der roten Augen tat ihr weh. Sie bebte innerlich, und ihr Kopf funktionierte schlecht.
»Und Sie haben nicht versucht, erst einmal mit dem Mann zu reden? Vielleicht war es wirklich nur ein Missverständnis? Sie sagten, Sie hätten ihm Deospray ins Gesicht gesprüht. Das ist übrigens nicht ganz harmlos«, setzte der ältere Mann in Zivil das Verhör fort.
Vielleicht war er auch noch gar nicht so alt, höchstens vierzig, doch sein Gesicht wirkte verlebt, wenn nicht versoffen. Die beiden anderen erschienen ihr wesentlich angenehmer, aber sie schwiegen.
»Was sollte ich denn machen?« Xenia zwinkerte verwirrt. »Ich habe gespürt, dass er gefährlich ist.«
»So so, das haben Sie also gespürt, ja?« Über das aufgedunsene Gesicht huschte sarkastischer Spott, von dem Xenia ganz übel wurde.
»Ich war allein mit meinem Kind«, sagte sie langsam und deutlich, bemüht, dem Milizionär in die Augen zu sehen, »und ich entdeckte mitten in der Nacht einen fremden Mannin der Wohnung. Hätte ich ihm etwa einen Tee anbieten sollen?«
»Ja, ja, schon gut. Regen Sie sich doch nicht so auf. Sagen Sie, hat jemand aus Ihrer Familie vielleicht einmal die Wohnungsschlüssel verloren?«, meldete sich der zweite Mann in Zivil. Er schien friedlicher gestimmt, und Xenia entschied, sich möglichst nur noch an ihn zu wenden.
»Ich weiß nicht, ich bestimmt nicht, meine Schwiegermutter auch kaum, aber mein Mann … Er ist sehr zerstreut, er arbeitet sehr viel.«
»Ach, wo muss man denn arbeiten, um so viel Kohle zu verdienen?«, murmelte der Ältere. »Ist ja eine tolle Wohnung. Wer so reich ist, sollte einen Wachdienst engagieren. Haben Sie wenigstens eine Alarmanlage?«
»Ja. Aber als ich kam, habe ich sie abgeschaltet. Entschuldigen Sie, aber was soll das, von wegen viel Kohle und tolle Wohnung?«, empörte sich Xenia. »Mein Mann verdient nicht übermäßig viel, er ist stellvertretender Chefredakteur der
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