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Das Haus der Bronskis

Das Haus der Bronskis

Titel: Das Haus der Bronskis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Marsden
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trinken!« Sie hob ihr Glas, und unter beifälligem Nicken folgten alle ihrem Beispiel.
    »Aber ich würde gern noch etwas sagen.« Zofia stellte ihr Glas wieder auf dem Tisch ab. »Auch ich bin Lyrikerin. Seit mittlerweile über fünfzig Jahren schreibe ich Gedichte. Jedoch habe ich schreibend Verrat begangen. Ich habe das Größte, das einem Dichter gegeben ist, verraten   – die eigene Sprache. Ich habe mein geliebtes Polnisch aufgeben müssen und schreibe jetzt auf englisch und komme mir vor wie eine Bigamistin . . . Das einzige, was ich auf weißrussisch kann, ist ein Vers, den ich als Kind gelernt habe.« (Sie rezitierte den komischen Kinderreim vom Priester und seinem toten Hund, den ich vor Jahren von ihr gehört hatte. Niemand kannte ihn. Es gab viel Beifall.) »Und nun möchte ich einen Toast ausbringen auf das Ende des Kommunismus, auf eine neue Zeit, auf die Lyrik, auf die Freundschaft und auf die slawische Seele, die uns allen gemeinsam ist und die mir so wundervoll zwischen Wodka und Tränen zu oszillieren scheint.
Na zdrowie!
«
    Na zdrowie!
    Alle klatschten und tranken. Es kamen noch mehr Reden.Eine Frau hielt eine Rede über Mickiewicz. Ein Professor hielt eine Rede über Politik. (Alle trugen an ihren Aufschlägen winzige rotweiße Anstecker, die Farben ihres nagelneuen Landes, für das sie   – die Dichter, Schriftsteller, Intellektuellen   – etwas zu formen versuchten, was sich von der schweren braunen Tonerde der Sowjetkultur unterschied.)
    Der Professor redete noch immer, als das Essen begann. Spontan beugten die Dichter sich vor und usurpierten die aufgetragenen Platten. Der Professor brach seine Ausführungen über öffentliche Ausgaben ab und grapschte sich eine Wurst, zwei Scheiben Brot und eine Essiggurke.
    Zofia hatte ihre gute Laune wiedergewonnen; sie kicherte. Ihr gegenüber saß ein Mann in schwarzem Hemd, der ihr mit blitzendem Goldzahnlächeln Wodka ins Glas schüttete: »Trink! Trink, meine juwelengeschmückte polnische Prinzessin!«
    Sie drehte sich zu mir um und flüsterte: »Er denkt, ich bin eine Prinzessin. Er hat Verlaine übersetzt und sagt, er ist in mich verliebt! Was soll ich tun?«
    »Am besten, du heiratest ihn, Zosia.«
    Am anderen Ende der Tafel erhob sich eine rumänische Volkssängerin von ihrem Platz. Sie kreischte ein Lied auf weißrussisch. Als es zu Ende war, stand eine winzige alte Frau neben ihr auf. Sie hatte dottergelbes Haar, trug eine smaragdgrüne Strickjacke und war offenbar eine berühmte Opernsängerin gewesen. Sie gab mit kieksendem Sopran eine unbekannte Arie zum besten und sagte dann: »Ich bin zweiundneunzig. ›Nur der Schönheit weiht’ ich mein Leben.‹«
    Ein Paar stand auf, beide mit heller Haut und hellem Haar. Sie trug ein Kopftuch, er einen hochgeknöpften schmutzigbraunen Anzug.
    »Zwanzig Jahren«, erklärte sie in holperigem Englisch, »er ist in Gefängnis. Ich glaube, er tot, in Lager. Aber vor eine Woche er kommt an meine Tür und klopfen und sagen, Marta, Wasser, biitte. Ich haben Durst. Wo du gewesen? frage ich. Und er weinen wie ein Kind . . .«
    Und der Mann neben ihr, kerzengerade und einen Kopf größer als sie, schnipste sich die Tränen von den Wangen, als wären es Kieselsteine.
    Eine Frau mit Akkordeon spielte zum Tanz auf; die Leute erhoben sich, und binnen kurzem war der ganze Raum eine einzige Masse herumwirbelnder, hüpfender Dichter. Der wild aussehende Lexikograph und die nervöse Lehrerin, der Bernard-Shaw-Experte, der zahnlose Archäologe, der allein tanzte, eine berühmte Schauspielerin, ein sprunggewaltiger Linguist, ein Danteübersetzer mit beginnender Glatze, ein ernster junger Gitarrespieler mit traurigen Liedern und Zofia mit ihrem weißrussischen »Gemahl«, ihrem »Don Juan«.
    Der Abend versank in einem Nebelschleier von Wodka und
żubrówka
und tränenreichen Reden und Geschichten. Erst nach Mitternacht begannen die Leute sich zu verziehen. Der Lexikograph schlief in einem Sessel. Der Archäologe hielt sich auf einem Bein. Die über neunzigjährige Opernsängerin wurde von ihrer Tochter, der Akkordeonspielerin, hinausgeschleift. Die Schauspielerin heulte. Zofia ließ sich von ihrem Don Juan die Hand lesen.
    »Werfen Sie Ihre Liebe nicht den Hunden vor!« flehte er   – und setzte flüsternd hinzu: »Meine Frau hat eine böse Zunge, wie eine Giftschlange . . .« Dann rief er aus: »Unsere Begegnung hat in den Sternen gestanden! Solche Freude habe ich nicht erlebt wie diesen Abend . . .«
    »Aber«,

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