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Das Haus der Bronskis

Das Haus der Bronskis

Titel: Das Haus der Bronskis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Marsden
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wiederlas, schienen zwei Dinge, zwei Muster zutage zu treten. Das eine war die seltsame Symmetrie zwischen ihren eigenen Lebensumständen und den weiter ausgreifenden Turbulenzen um sie her (die Parade ihrer Verehrer in den Jahren nach dem ersten Krieg beispielsweise schien das Kommen und Gehen der Armeen widerzuspiegeln). Das andere war das Gefühl eines dauernden Wechsels, das Werk unsichtbarer Kräfte: genau das Gefühl, das einen beim Anblick vom Wind verstreuter Bäume befällt.
    Sechzehn Jahre hatte Helena ein relativ ruhiges Leben geführt. Aber eines Mittags im Sommer 1914 in Klepawicze fand das alles ein Ende.

Zweiter Teil
Helena

8.
    I
n
jenem Sommer
1914 wurde in Klepawicze jeden Tag zum Mittagsimbiß auf der Veranda gedeckt. Krüge mit Limonade und
kwas
standen neben einem Schinken oder kaltem Rinderbraten. Es gab Platten mit Käse, Schnittlauch und immer eine Vase mit Pfingstrosen. Helena und die Brońskischwestern versammelten sich hier als erste, dann kamen die Brüder, und Schlag 12.45   Uhr erschien Pan Stanisław aus seinem Arbeitszimmer, sprach das Tischgebet, und das Mahl konnte beginnen.
    In der zweiten Woche von Helenas Aufenthalt verspätete Pan Stanisław sich eines Tages. Es war schon eins, als er aus der Verandatür trat, sich ein Glas
kwas
eingoß und verkündete, der Kaiser habe den Krieg erklärt.
    Alle schwiegen. Helena sah zu den Brońskischwestern hinüber, zu den Brüdern, zu den diversen Tanten und Dienstleuten. Was bedeutete Krieg? Ihre Mienen boten keinen Anhalt.
    Nach dem Mittagessen ging sie zum Fluß hinunter. Sie setzte sich zu Füßen einer kleinen Birkengruppe. Über das Wasser kam das unaufhörliche Fiepen der Schwalben. Sie streckte sich auf dem Gras aus und schloß die Augen. Die Sonne glühte hellorange hinter ihren Lidern. Wenn sie den Kopf bewegte, brachen die Birkenzweige die Sonnenstrahlen, und die Welt war voll orangefarbener Blitze. Sie hörte die Kanonen und sah die Troßpferde. Sie sah Kolonnen von Männern und Reihen von Uniformen. Das war Krieg.
    Am Tag darauf wurde sie nach Wilna zurückgeschickt.Dort war alles genauso wie vorher   – vielleicht ein paar Pferde mehr, mehr Truppen, etwas mehr Menschen in der Kirche   –, aber das war alles. Dann kam nach einigen Wochen die Niederlage bei Tannenberg, und die Leute sagten, der Krieg sei wohl doch nicht so bald aus.
     
    An einem Oktoberabend kam Graf O’Breifne für ein paar Tage Urlaub in das Wilnaer Haus. Am nächsten Morgen um halb zehn ließ er Helena zu sich in die Bibliothek rufen. Er war von seinem Schreibtisch aufgestanden und blickte aus dem Fenster. Warmes Herbstlicht fiel in den Raum und streifte sein Gesicht von der Seite. Er stand breitbeinig da, die Hände auf dem Rücken, und spielte nervös mit den Fingern.
    »Vater?«
    Er drehte sich zu ihr um. Er sah müde aus. Seine Haut war schlaff, seine Lippen blaß; er wirkte wie jemand, der auf eine Operation wartet. Doch er lächelte und trat aus dem Lichtstreifen heraus.
    Anstatt sie zu küssen, sagte er: »Helenka, sieh dich an! Dein Aufzug ist einfach unmöglich!«
    Kopfschüttelnd zog er ihre Bluse straff und bedeutete ihr, sich den Rock glattzustreichen. Dann setzte er sich abgekämpft hinter seinen Schreibtisch. »Ich muß mit dir reden, Helena. Du bist kein Kind mehr. Du bist fünfzehn . . .«
    »Sechzehn, Vater.«
    »Sechzehn?«
    »Ja.«
    »Nun, Zeit, daß du es lernst.« Er zog die Augenbrauen hoch und seufzte. »Hela, versteh bitte, daß eine Frau sich gut anziehen muß. Es ist ihre Pflicht, so gut wie möglich auszusehen.«
    Es war das erstemal, daß er mit ihr nicht wie mit einem Kind redete.
    »Du mußt dir darüber im klaren sein«, fuhr er fort, »daß das Glück und das Wohlbefinden einer Familie von der Frau abhängen. Wenn sie sich ständig bemüht, wird ihr Mann ihr stets zugetan bleiben. Ein Mann, der seine Frau liebt, wird immer einen guten Vater abgeben. Du bist in dem Glauben erzogen worden, es sei eine Tugend, nicht an dein Aussehen zu denken und sich nichts aus Kleidern zu machen. Sehe ich das richtig?«
    Sie nickte.
    »Meine liebe Hela, es ist keine Tugend, sondern ein Verbrechen. Deine arme Mutter wurde von einem Mann aufgezogen, einem frommen Mann, der nichts von Frauen verstand. Ihr völliger Mangel an weiblichem Charme hat Unglück über uns beide gebracht. Sie hätte überhaupt nicht heiraten sollen. Sie taugt nicht zur Ehe. Ehe basiert auf körperlichen Bindungen, und davon will deine Mutter nichts wissen.«
    Er

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